Ein Ja zu No Billag hätte nicht nur verheerende staats-, demokratie-, sprach-, regional- und medienpolitische Folgen, es würde auch Medien- und Kulturschaffende existenziell bedrohen, schreibt Melanie Berner, zuständig für Medienpolitik beim Schweizer Syndikat Medienschaffender SSM: 13'500 Stellen und 1,8 Milliarden Franken stehen auf dem Spiel. Massiv schlechtere Arbeitsbedingungen würden zudem die Qualität der Medien senken.
Ein Ja zur No-Billag-Initiative am 4. März wäre das Ende der SRG, wie wir sie heute kennen. Wenn überhaupt, könnte nur ein kleiner Teil der 6000 SRG-Mitarbeitenden ihre Stelle behalten. Ebenso betroffen wären die Angestellten der 34 privaten Lokalradios und Regionalfernsehsender, die aktuell jährlich 67,5 Millionen Franken Gebühren erhalten. Könnten die Privaten nicht innert kürzester Zeit neue Finanzierungsquellen erschliessen, wären weitere 900 Vollzeitstellen existenziell bedroht.
Aber auch die Kulturschaffenden kämen mit No Billag massiv unter die Räder. Allein der Filmbranche würden nicht nur die attraktiven Sendeplätze fehlen, sondern jährlich 27,5 Millionen Franken entgehen. Der "pacte de l'audiovisuel", der seit 1997 die Zusammenarbeit zwischen der SRG und der Schweizer Filmbranche regelt, würde hinfällig. Ohne diese Unterstützung würde es künftig keine Schweizer Filme wie "Mein Name ist Eugen" und "Die Herbstzeitlosen" oder TV-Eigenproduktionen wie "Wilder" geben.
Das Forschungsinstitut BAK Basel hat 2016 die Wirkung des gebührenfinanzierten Service public berechnet. Fazit: "Mit jedem Wertschöpfungsfranken, der direkt durch die Produktionstätigkeit des medialen Service public erwirtschaftet wird, entstehen nochmals 90 Rappen Wertschöpfung in anderen Unternehmen". Die gesamte Wertschöpfung beziffert die Studie auf 1,8 Milliarden Franken. So kommen bei den Arbeitsplätzen zu den knapp 7000 Stellen direkt bei SRG und Privaten noch einmal fast so viele dazu: Insgesamt 13'500 Menschen arbeiten in vom gebührenfinanzierten Service public geschaffenen Stellen. Die meisten von ihnen müssten bei einem Ja zu No Billag neue Jobs suchen. Einige kämen wohl als Freischaffende unter, der grösste Teil müsste aber umsatteln. Denn die audiovisuelle Industrie würde bei einer Annahme der Initiative massiv verkleinert, und nur noch Wenigen ein Auskommen bieten können.
Ein Untergang der SRG und der privaten Anbieter mit Gebührenanteil bedroht auch die beiden letzten Deutschschweizer Gesamtarbeitsverträge im Medienbereich, den SRG-GAV und den Branchenvertrag der Unikom (nicht-kommerzielle Radios). Der SRG-GAV definiert Berufsstandards auf anständigem Niveau, ihm sind rund 5000 Personen unterstellt. Was ein vertragsloser Zustand bedeutet, zeigt sich im Printbereich in der Deutschschweiz und im Tessin. Seit 2004 verschlechtern sich Arbeitsbedingungen, Löhne und Honorare von JournalistInnen und FotografInnen. Die Urheberrechte werden mit Füssen getreten oder ausgehebelt, Trennung von Verlag und Redaktion (innere Redaktionsfreiheit) wird zum Fremdwort. Geregelte Ausbildungsbedingungen für BerufseinsteigerInnen sind rare Angebote meist kleinerer Redaktionen. Die grossen Verlage hingegen stellen PraktikantInnen zu Hauf ein - ohne Ausbildungsverpflichtung, dafür mit Ausbeutungs-Garantie.
Gute Arbeitsbedingungen sind für die langfristige Qualitätssicherung der Medien und die Ausbildung des Nachwuchses von grosser Bedeutung, denn im Journalismus wird der Beruf meist "on the job" erlernt. Darum braucht es neben Lehrgängen gute Volontariats- und Stageplätze sowie qualifizierte Fachpersonen, die ihr Wissen dem Nachwuchs weitergeben können und wollen. Auch hier leistet die SRG vorbildliche Arbeit: Ihre sehr begehrten 12- bis 24-monatigen Stages bieten BerufseinsteigerInnen alles an Ausbildung, was zum Handwerk des Journalismus gehört. Ein Wegfallen der SRG-Normen würde die Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen massiv verschlechtern, was sich eher früher als später auch in sinkender Qualität der journalistischen Inhalte zeigen würde.