Der Nationalrat wird in der Herbstsession die Postreform beraten. Es geht in erster Linie um das Ja oder Nein zur übereilten Totalliberalisierung der Postversorgung. Der Bundesrat will sie entgegen der Meinung des zuständigen Departements, der Ständerat stimmte ihr in der Wintersession nach einer oberflächlichen Debatte mit nur einer Stimme Mehrheit zu. Die Nationalratskommission beantragt nun nach gründlicher Prüfung ebenso knapp auf die völlige Liberalisierung zu verzichten. Die Minderheit folgt dem massiven Druck des Wirtschaftsdachverbands économiesuisse, der privaten Firmen profitable Postgeschäfte zuschanzen will. Noch mehr Liberalisierung heisst höhere Preise, unsichere Arbeitsplätze und eine schlechtere Versorgung des Landes. Deshalb sind die Gewerkschaften dagegen. Aber auch die Berggebiete, die Städte, die Konsumentenorganisationen und kleinere und mittlere Unternehmungen warnen vor unnötigen Experimenten. Der Nationalrat ist gut beraten, hier der Kommissionsmehrheit zu folgen.
Gewinne den Privaten, Randgebiete der Post
Eine GFS-Umfrage von 2009 zeigt eine hohe Identifikation der Bevölkerung mit der Post auf und unterstreicht die Bedeutung des flächendeckenden Versorgungsnetzes. Die Post ist beliebt, weil sie flächendeckend versorgt und pünktlich und zuverlässig funktioniert. Die vorliegende Postreform will hier ohne Not Abstriche machen, und die Liberalisierung schafft noch mehr Kostendruck auf die Poststellendichte und die Versorgungsqualität. Die bundeseigene Post hat in Sachen Effizienz ihre Hausaufgaben längst gemacht und schreibt seit Jahren hohe Gewinne, die künftige Investitionen erleichtern und auch die Bundeskasse und damit die SteuerzahlerInnen entlasten.
Mit einer Gefälligkeitsstudie macht économiesuisse die Spitzenleistungen der Post schlecht, obwohl unabhängigere und somit zuverlässigere Studien des Postregulators bei Preisen und Zuverlässigkeit der Post im Europavergleich einen Spitzenrang einräumen. Die Offensive des Dachverbands der Wirtschaft ist durchsichtig: Er will die Gewinne der Bundesbetriebs so schnell wie möglich privatisieren. Er will für Private mit Rosinenpickerei in den Agglomerationen Profite herausholen und die teure Versorgung in den Randgebieten der Post überlassen. Das heisst: Die Leistungen werden in der Fläche schlechter und/oder teurer. Man kann es drehen und wenden wie man will: Die Erhaltung des Restmonopols bei der Briefpost ist die kostengünstigste Garantie für eine qualitativ hochstehende Grundversorgung mit Postdiensten. Dies zeigen auch ausländische Beispiele, wo nach der Liberalisierung die Poststellendichte reduziert und die Preise für private und gewerbliche Kunden in die Höhe geschnellt sind.
Korrekte Arbeit erhalten
Für die Gewerkschaften alarmierend ist der höhere Druck auf die Lohn- und Arbeitsbedingungen. Deutschland musste einen Post-Mindestlohn verfügen, weil die privaten Anbieter Löhne weit unter dem Existenzminimum zahlen wollten. Die vorgesehene gesetzliche Pflicht aller Postanbieter zu GAV-Verhandlungen ist deshalb notwendig. Noch besser wäre aber, dass die Schweizerische Post – wie heute im Bundespersonalgesetz verankert – weiterhin einen GAV abschliessen müsste. Zudem ist ein allgemeinverbindlich erklärter Branchen-GAV nötig, um Lohndumping zu unterbinden. Fehlt dafür die Garantie im Gesetz, sind künftige gewerkschaftliche Kämpfe programmiert.
Fazit: Es gibt keinen Grund die Post teilweise zu privatisieren. Die Post hat einen öffentlichen Versorgungsauftrag. Sie erfüllt ihn als Bundesbetrieb ausgezeichnet. Eine private Gewinnbeteiligung ist widersinnig. Ebenso bei der lukrativeren Postfinance. Sie soll deshalb vollumfänglich Eigentum der bundeseigenen Post bleiben und sie finanziell stark erhalten.
Die Gewerkschaft Kommunikation hat vor wenigen Tagen die Volksinitiative „für eine starke Post“ mit über 110‘000 Unterschriften bei der Bundeskanzlei eingereicht. Die Unterschriftensammlung konnte nach nur 5 Monaten gestoppt werden, es wären sonst 200‘000 Unterschriften zusammen gekommen. Dies ist ein starkes Signal ans Parlament. Die Bevölkerung will eine starke in den Dörfern und Stadtquartieren flächendeckend präsente Post im Bundeseigentum. Sie soll die heute gute Versorgung auch im Zahlungsverkehr preiswert garantieren. Dafür sorgt das Restmonopol im Briefverkehr und die posteigene Postfinance bzw. Postbank. Das Parlament tut gut daran, diese selbstverständlichen und bis heute bewährten Forderungen ernst zu nehmen. Sonst hat das Volk das letzte Wort.
Ausserdem in der Sessionsvorschau: 11. AHV-Revision, Volksinitiative "jugend und musik" und UVG-Revision.