Man sollte bei Abgetretenen nicht nachtreten, aber Bundesrat Schneider-Ammann hat in all den Jahren beim Thema Wohnpolitik nicht mal einen Lufthauch bewegt. Aktiv hat er sich einzig um eine Zurückstufung des zuständigen Bundesamtes bemüht. Ansonsten hat er stets abgewiegelt und die Augen fest zugekniffen, obwohl sich in seiner Amtszeit das Angebot an erschwinglichem Wohnraum fast in der ganzen Schweiz rapide verknappte. Entspannung ist weiterhin nur im hohen Mietpreissegment und in den Randregionen ohne guten Anschluss an den öffentlichen Verkehr auszumachen.
Die eidgenössische Volksinitiative "Mehr bezahlbare Wohnungen" des Mieterverbands will den gemeinnützigen Wohnbau unterstützen, der bei einem Anteil von unter 5 Prozent am gesamten Wohnmarkt verharrt. In den grossen Städten der Deutschschweiz ist der Anteil sehr viel höher und die gemeinnützigen Wohnbauträger sind dort Garanten der sozialen Durchmischung. Aber die Nachfrage ist so gross, dass es einem Lottogewinn gleichkommt, eine solche Wohnung zu erhalten. Tatsächlich werden die Wohnungen gar nicht selten ausgelost.
Der Druck wird hoch bleiben und der bezahlbare Boden knapp. Es sei denn, die Initiative würde angenommen, die ein Vorkaufsrecht für gemeinnützigen Wohnbau vorsieht, nicht zuletzt auch bei Grundstücken der bundesnahen Unternehmen.
Nun hat sich der vorherige Wohnminister mit Unterstützung des Gesamtbundesrats ein bauernschlaues Manöver einfallen lassen, um der Initiative den Garaus zu machen: sie erhält als indirekten Gegenvorschlag eine Aufstockung des Fonds de Roulement gegenübergestellt. Dieser Fonds wird von den beiden Dachorganisationen des gemeinnützigen Wohnbaus verwaltet, der laufende Rahmenkredit ist ausgeschöpft.
Er soll nun also mit einem neuen Rahmenkredit von 250 Mio. Franken aufgefüllt werden. Allerdings nur, falls die Initiative zurückgezogen oder abgelehnt wird. Damit stehen Mieterverband und gemeinnützige Wohnbauträger mit dem Rücken zur Wand.
Das Vorgehen – wen wundert's? – wurde vom Nationalrat in der Wintersession unterstützt, eine grössere Aufstockung des Fonds hingegen abgelehnt. Die Kommission des Ständerats ist dem Nationalrat gefolgt, der Ständerat entscheidet in der Frühlingssession. Er könnte nun die Geiselhaft lösen, indem er die Aufstockung des Fonds nicht vom Schicksal der Initiative abhängig macht. Und damit zeigen, dass er noch immer über die staats- und demokratiepolitische Kultur wacht.
Die Gewerkschaften unterstützen die Initiative und befürworten auch eine stärkere Aufstockung des Fonds de Roulement auf 375 Mio. Franken. Um das knappe Angebot an erschwinglichem Wohnraum zu vergrössern, braucht es vereinte Anstrengungen von Bund und Kantonen. Junge GeringverdienerInnen, Familien und Ältere nach der Pensionierung sind auf erschwinglichen Wohnraum angewiesen.