Die Freisinnigen jubilieren und fantasieren von mehr Arbeitsplätzen, besseren Dienstleistungen und tieferen Preisen. Sie haben nichts gelernt aus der Strommarktliberalisierung, die auch in der Schweiz schädliche Preisschübe ausgelöst hat. Sie blenden ebenso die ausländischen Erfahrungen mit der Postliberalisierung aus: Massives Lohndumping in Deutschland und Holland – mit Hungerlöhnen von 6 Euro pro Stunde und Kinderarbeit – oder die Preiserhöhung bei schlechteren Dienstleistungen für fast alle Kundenkategorien in Schweden. Auch bei der Postliberalisierung gilt die übliche Formel: Preise rauf, Löhne runter, Qualitätsabbau. Ein NZZ-Leserbrief beklagte vor wenigen Tagen die telefonische Unerreichbarkeit einer Poststellenleiterin in einem Dorf und meinte, dies sei wie einst im „real existierenden Sozialismus“. Nein, das sind die Zeichen des „real existierenden Liberalismus“ bei bisher tadellos funktionierenden öffentlichen Diensten. Das sind die „Früchte“ der politisch erzwungenen Konkurrenz auf Kosten effizienter flächendeckender Netzinfrastrukturen.
Gegen die Privatisierung der Gewinne
Deshalb ist der Widerstand der Gewerkschaft Kommunikation (GeKo) gegen den weiteren Poststellen-Abbau so wichtig. Die Bevölkerung will einen funktionierenden Service public. Sie will ihre Poststellen in den Dörfern und die guten Arbeitsplätze erhalten. Es reicht, dass seit Beginn der Liberalisierungspolitik (1998) bereits 1500 Poststellen geopfert worden sind. Jetzt plant die Post den Abbau weiterer 500 Büros. Innert 4 Wochen hat die GeKo über 40'000 Unterschriften dagegen gesammelt, und der Facebook-Freundeskreis gegen den Postabbau wird täglich grösser. Dies zeigt, dass eine Totalliberalisierung der Post eine Referendumsabstimmung nicht überstehen dürfte.
Die bundeseigene Post ist ein hochmoderner und gut aufgestellter öffentlicher Betrieb, der einen gesetzlichen Grundversorgungsauftrag im ganzen Land erfüllen muss und dennoch in den letzten Jahren Gewinne zwischen 800 und 900 Millionen Franken erwirtschaften konnte. Genau darauf, auf die Privatisierung der öffentlichen Gewinne, hat es die private Konkurrenz abgesehen. Sie will der Post die Grundversorgung des ganzen Landes überlassen und in den Städten lukrative Dienste anbieten und dafür erst noch schlechtere Löhne bezahlen. Das ist inakzeptabel. Deshalb fordern die Gewerkschaften, dass mit der vom Bundesrat jetzt unnötig schnell beschlossenen Senkung des Briefmonopols auf 50gr der vom Bundesrat ebenfalls verlangte Gesamtarbeitsvertrag für die ganze Branche endlich verhandelt und beschlossen wird.
Keine Hungerlöhne
Die privaten Zustelldienste sind ein Tieflohnbereich. Die in den letzten Tagen angekündigte Lohnsenkung von bis 20% bei der Zeitungsfrühzustellung zeigt, was bereits schlecht bezahlten Angestellten in der ganzen Branche droht. Wir dürfen hier keine Hungerlöhne akzeptieren. Wir müssen gerade jetzt in der Krise die Kaufkraft jener Lohnabhängigen erhalten und verbessern, die schon wenig verdienen. Der SGB unterstützt deshalb die Gewerkschaften der Branche, die jetzt unverzüglich Verhandlungen verlangen.
Das Lohndumping bei der Frühzustellung und der Poststellenabbau zeigen, wohin die Liberalisierungspolitik im Postbereich führt. Deshalb ist der gewerkschaftliche Widerstand im Interesse der Angestellten und im Interesse der Bevölkerung und der Wirtschaft, die auf qualitativ einwandfreie Postdienste angewiesen sind, jetzt so wichtig.