Am 24. November 2025 präsentierten die vier grossen Wirtschaftsverbände in der Schweiz – der Schweizerische Arbeitgeberverband, der Schweizerische Gewerbeverband, der Schweizerische Bauernverband und economiesuisse, mit grossem Brimborium eine Studie zu den Bürokratiekosten in der Schweiz. Die dort vorgestellten Schätzungen zum Einsparpotential im Bereich der staatlichen Bürokratie, sind – wie selbst die NZZ konstatierte – «gewagt». NZZ-Wirtschaftsredaktor Hansueli Schöchli wies schon damals auf verschiedene Unzulänglichkeiten hin.
Kein Thema war hingegen die Datenbasis: Die Studie basiert auf Daten des «doing business» Index der Weltbank aus den Jahren 2006 bis 2020. Der Grund, weshalb es keine neueren Daten gibt: Der Index wurde im Jahr 2021 eingestellt, weil es in den Jahren zuvor zu erheblichen Unregelmässigkeiten und Manipulationen kam. Ob und wie stark diese Unregelmässigkeiten die Ergebnisse der Studie beeinflussen, ist unklar. Aber der Umstand, dass sie mit keinem Wort kommuniziert wurden, wirft Fragen auf.
Unter der Annahme, dass der Index dennoch einen gewissen Informationswert hat, ist interessant, welche Länder von der Studie und den Wirtschafsverbänden als grosse Vorbilder in Bezug auf eine effiziente Bürokratie genannt werden: Es sind Schweden und Dänemark, also Staaten mit einer überdurchschnittlich hohen Fiskalquote. Diese misst die Summe aller Steuern und öffentlichen Abgaben von Bund, Kantonen, Gemeinden sowie für öffentliche Sozialversicherungen im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt. Das bedeutet: Es handelt sich um Länder mit einem verhältnismässig grossen Staatssektor.
Dies legt den Schluss nahe, dass Investitionen in den Staatsapparat eine wichtige Voraussetzung für eine effiziente Bürokratie sind. Um dieser These auf den Grund zu gehen, soll ein anderer Index der Weltbank hinzugezogen werden: Der government effectiveness Index. Dieser Index misst die Wahrnehmung der Qualität öffentlicher Dienstleistungen, die Qualität des öffentlichen Dienstes sowie die Qualität der Politikgestaltung und -umsetzung durch die Regierung. Für OECD und EU-27 Länder zeigt sich, dass Staaten mit einer hohen Fiskalquote in der Tendenz eine höhere Qualität der staatlichen Leistungen aufweisen als Länder, in denen der Staat wenig Mittel zur Verfügung hat.
Natürlich gibt es auch Ausnahmen: Griechenland und Italien haben relativ hohe Fiskalquoten, aber weisen einen eher geringen government effectiveness score aus. Ein ausgebauter Staat ist daher kein Garant für eine hohe Qualität staatlicher Dienstleistungen. Aber er scheint eine wichtige Voraussetzung dafür zu sein.
Nur drei Länder weisen trotz geringer Fiskalquote einen hohen Wert beim government effectiveness score aus: Australien, Irland und die Schweiz. Irland ist ein krasser Sonderfall. Weil so viele internationale Konzerne ohne reale Produktion aus Steuergründen im Land sitzen, ist das BIP künstlich aufgebläht und die Fiskalquote entsprechend tief. Aus diesem Grund publiziert das irische Statistikamt das so genannte modifizierte Bruttonationaleinkommen, welches die Globalisierungseffekte herausrechnet. Berechnet man die Fiskalquote auf Basis dieser Kennzahl, steigt die Fiskalquote deutlich und auch Irland bestätigt den positiven Zusammenhang zwischen einem gut ausgebautem Staatssektor und einer hohen Qualität staatlicher Leistungen.
Auch der Sonderfall Schweiz relativiert sich etwas. Denn die geringe Fiskalquote der Schweiz lässt sich teilweise dadurch erklären, dass im Gegensatz zu vielen anderen Ländern Krankenkassenprämien und Beiträge in die 2. Säule nicht darin enthalten sind. Dem Bundesrat zufolge hätte die Fiskalquote in der Schweiz im Jahr 2010 über elf Prozent höher gelegen, wenn die beiden Posten dazu gerechnet würden.
Ein ausgebauter und ausreichend finanzierter Staat ist demnach kein Schreckgespenst, sondern scheint eine Voraussetzung für qualitativ hochwertige staatliche Dienstleistungen zu sein, von denen auch die Wirtschaft in hohem Masse profitiert. Sparen beim Staat sollte deshalb kein Selbstzweck sein. Entsprechend sollte das sogenannte Entlastungspaket 27 und auch die restriktive Handhabung der Schuldenbremse noch einmal überdacht werden.


