71.6% Nein-Stimmen zur No-Billag-Initiative! Ein maximal klares Resultat zu einer ebenfalls glasklaren Initiative, die dem gebührenfinanzierten Rundfunk das Genick gebrochen hätte. Besser geht es kaum, müsste man meinen.
Aber die Abstimmungslokale waren kaum geschlossen, die ersten Hochrechnungen kaum draussen, drängelten sich die PolitikerInnen bereits wieder vor die Mikrophone um nun ihrerseits klar und deutlich zu sagen, wo die SRG abspecken müsse und wie sie nun endlich in die Schranken gewiesen werden müsse. Und die SRG-Spitze verkündet gleichentags die Eckwerte eines Sparprogrammes im Umfang von 100 Mio. Franken.
Was ist mit dem Service public los? Die Bevölkerung will ihn - ganz eindeutig. Die Unternehmen und die Politik hingegen schrauben am Angebot, an den Stellen und an den Kosten. Das gilt für die SBB, für die Post und für die Swisscom. Tausende Stellen werden abgebaut, der Schienengüterverkehr im Inland massiv reduziert, SBB-Verkaufsstellen und Poststellen geschlossen. Und obwohl die Stimmbevölkerung immer ihr Veto zu Privatisierungen und Auslagerungen einlegt, exemplarisch auch wieder an diesem Abstimmungssonntag bei den Gemeindewerken in Windisch und Kölliken, weibelt die Politik ganz unbeeindruckt weiterhin dafür.
PostAuto erschwindelt sich zu viele Subventionen? Privatisieren! Mehr Wettbewerb! Wasserversorgung im Kanton Zürich? Wird neu teilprivatisiert. Stromversorgung? Unbedingt vollständig liberalisieren! Millionenverschuldung beim Stadtspital Triemli? Sofortige Auslagerung! Welches Problem auch immer sich im Service public zeigt, die zu verschreibende Kur lautet stets gleich.
Ist das Volk unbelehrbar? Verwundert konstatierte die Chefredaktorin des "Tages-Anzeigers" angesichts des Resultats zu No Billag, dass den Leuten eine Institution wie die SRG "offensichtlich wichtiger ist als die ökonomische Grundmaxime, wonach man nur für das bezahlt, was man konsumiert." Demnach hat sich das Volk in der Abstimmung irrational verhalten, möglicherweise ist es sentimental? Dazu ist folgendes anzumerken: Diese zitierte Grundmaxime gibt es gar nicht. Wohl aber Erfahrungswerte, dass ein rein kommerziell finanzierter Service public nur ein lausiges Angebot bereitstellen kann. Beim Nachforschen, wo denn durch mehr Wettbewerb und Privatisierungen der Service public tatsächlich besser geworden sei, bleibt nicht viel übrig.
Vor knapp zwei Jahren kam eine andere Initiative zur Abstimmung, die "pro Service public"-Initiative. Diese war inhaltlich missverständlich formuliert und hätte in der Umsetzung mit einem privatisierungsfreudigen Parlament viel Scherereien bringen können. Die Gewerkschaften haben sie bekämpft, aber auch damals wurde im Vorfeld klar: die Bevölkerung will eine starke Kontrolle der öffentlichen Hand, sie will eine erschwingliche und qualitativ gute Versorgung in allen Landesregionen.
Dies hat sich seither nur noch akzentuiert, der Ärger über Poststellenschliessungen ist als Symptom zu nehmen. Es ist nicht Sentimentalität, es ist auch nicht einfach Solidarität mit einer älteren Generation, die auf die Schalterangebote angewiesen ist. Es ist das Wissen um den unschätzbaren (auch ökonomischen) Wert, den eine flächendeckende Versorgung mit guten und erschwinglichen Service public-Dienstleistungen ausmacht. Wer da keine überzeugende Alternative hat, soll die Finger vom Abbau lassen.
Natürlich muss sich die SRG den Herausforderungen der Zeit und der Digitalisierung stellen und ihr Angebot vor allem im Online-Bereich entsprechend umbauen. Doch die PolitikerInnen, die jetzt das Angebot der SRG nur abbauen und beschneiden wollen, sollten sich das sehr gut überlegen. Wie viel Medienversorgung wir morgen haben werden, hängt in hohem Mass noch immer auch von einem gebührenfinanzierten Rundfunkangebot ab. Und dieses ist Basis einer informierten, mündigen Gesellschaft. Und auf diese sind die PolitikerInnen angewiesen. Oder nicht?