Auf Kurs, aber CO2-Schnellschuss gibt falsches Signal!

  • Energie und Umwelt
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Verfasst durch Rolf Zimmermann, geschäftsführender SGB-Sekretär

Jetzt unterstützt auch der Ständerat den Atomausstieg klar. Am Ziel für die atomfreie Energiestrategie 2050 besteht somit kein Zweifel. Auf dem Weg dazu gibt es noch viele Irrlichter. Beispielsweise das Ja zur zweckgebundenen CO2-Abgabe.

Der Ständerat war beim Grundsatzentscheid für den Atomausstieg wieder einmal die legendäre „chambre de réflexion“: Die von der Atomlobby vorerst in der Kommission durchgesetzte Hintertür, nur die „heutige Generation“ von AKW zu verhindern, ist nun wieder zu. Nach gründlichen Erwägungen formulierte die Kommission kurz vor der Plenumsdebatte eine Motion, die mit Bundesrat und Nationalrat neue AKW-Rahmenbewilligungen ausschliesst. Damit wollen nun doch beide Kammern eine atomfreie Zukunft nach Fukushima. Die als Kompromiss eingefügten forschungspolitischen Details wiegen nicht schwer. Sie sind selbstverständlich und dürften im Dezember im Nationalrat keine Probleme schaffen. Die grossen Mehrheiten in beiden Kammern schaffen politische Klarheit und Investitionssicherheit für neue Technologien. Der Ständerat war insgesamt in einer pragmatisch-optimistischen Aufbruchstimmung, die stark von Bundesrätin Doris Leuthard ausging. Das ist bemerkenswert.

Die Energiestrategie 2050 muss nun konkrete Massnahmen, Gesetze, Verbote und Gebote, Fördermassnahmen und Quotenvorgaben vorschlagen. Die Verwaltung ist seit dem Frühjahr an der Arbeit und hat nach der Sommerpause auch einen politischen Diskussionsprozess in Gang gesetzt, der gemeinsam mit allen interessierten Organisationen den Atomausstieg politisch verankern soll. Wir Gewerkschaften haben ein grosses Interesse an der Energiewende. Sie muss – wie der SGB in den letzten Monaten wiederholt betont hat – eine sukzessive dezentrale Versorgung bringen mit Wärme-Kraft-Koppelung und Solarenergie als wichtigsten Pfeilern, wozu neue Netztechnologien (Smartgrid, Smartmetering) nötig werden. High Tech beim Aufbruch (Alternativversorgung) und beim Abbruch (Atomentsorgung) schaffen sehr viele gute Arbeit.

Die Energiewende ist aber nicht nur eine volkswirtschaftliche Chance. Sie ist auch ein politischer, technologischer und wirtschaftlicher Kraftakt. Wir werden in den nächsten Jahren viele kontroverse Diskussionen und Kämpfe haben um die „richtige“ oder „falsche“ Alternativtechnologie, um Effizienz und mehr oder weniger Gas, Gross- oder Kleinkraftwerke, Geothermie, Pumpspeicherung, Sonne und Wind und die Qualität der Verteilnetze. Das anvisierte Ziel muss aber bleiben.

Zweckgebundene CO2-Abgabe ist ein strategischer Fehler

Deshalb darf es keine strategischen Fehler geben, keine Schnellschüsse, die zu Umwegen führen können. Die im Ständerat angenommene Motion des Freisinnigen Pankraz Freitag für eine auf 20 Jahre befristete und rein zweckgebundene CO2-Abgabe ist so ein Schnellschuss. Nur knapp mit 20 zu 19 Stimmen überwiesen, kann sie der Nationalrat noch stoppen. Sie kann die Energiewende unnötig verzögern. Allein die dafür nötige Verfassungsänderung dauert zu lange. Die CO2-Abgabe heute ist keine Steuer, sondern eine Lenkungsabgabe mit vollumfänglicher Rückerstattung. Die volle Zweckbindung ist ein politischer Wortbruch, der ihre klimapolitisch nötige Ausweitung auf Treibstoffe behindert. Lenkungsabgaben entfalten ihre Wirkung nur, wenn sie pro Kopf zurückerstattet werden und damit jene belohnen, die sich mit wenig Ressourcenverbrauch auch zielgerecht verhalten. Zweckbindungen belohnen hingegen einseitig (z.B. die Baubranche oder Hauseigentümer oder eine bestimmte Technologie) und sind als reine Verbrauchssteuer unsozial. Freitag selbst qualifizierte seine Begründung vor dem Rat zweimal als „salopp formuliert“. Das trifft den Kern nicht schlecht. Zweckgebundene Umweltabgaben sind kontraproduktiv, weil mit ihrem Erfolg auch das Steuersubstrat abnimmt. Das Fördergeld nimmt somit laufend ab. Diese Kritik gilt auch für die sog. ökologische Steuerreform. Als tragende Säule der Energiestrategie 2050 könnte sie zur strategischen Falle für das grossmehrheitlich beschlossene Atomausstiegsziel werden. Wir brauchen jetzt kühle Köpfe und keine Schnellschüsse.

Zuständig beim SGB

Reto Wyss

Zentralsekretär

031 377 01 11

reto.wyss(at)sgb.ch
Reto Wyss
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