Die Strompreise nähmen zu, die Stromversorgung werde unsicher, die Klimabelastung steige. Mit diesen Behauptungen bekämpfen die Stromkonzerne die Atomausstiegsinitiative. Nur: sie stimmen nicht.
Die Stromkonzerne zeigen aktuell direkt erschütternd unverblümt, dass es ihnen ums Geschäft und nicht um die Sicherheit geht. Sie klagen gegen Sicherheitsauflagen der Atomaufsichtsbehörde ENSI und fordern schon mal vorauseilend Entschädigungen in Milliardenhöhe ein. Damit verscherzen sie sich die letzten Sympathien und lassen Atomkraftbefürworter und die zuständige Bundesrätin im Regen stehen. Sie bekämpfen die Initiative vor allem mit den Schreckgespenst-Argumenten steigende Strompreise, unsichere Stromversorgung und zunehmende Klimabelastung durch Kohlestromimport. Abenteuerliche Zahlen werden herumgeboten - um gleich widerlegt zu werden.
Strompreise werden auch bei Ja nicht anziehen
Fakt ist: Es gab nie einen besseren Zeitpunkt als heute um auszusteigen: Die Strompreise bleiben auch bei Annahme der Initiative tief, denn gesamteuropäisch herrscht Stromüberfluss, was nur durch einen rapiden wirtschaftlichen Aufschwung und eine radikale Aufwertung der CO2-Emissionszertifikate geändert werden könnte. Leider ist beides nicht in Sicht. Und die Schweizer Strompreise werden von den europäischen Preisen bestimmt.
Versorgung: auch bei Ja stabil
Auch das zweite Argument sticht nicht: Die Stromversorgung in der Schweiz ist stabil auf höchstem Niveau, denn die Schweiz verfügt über das dichteste Stromnetz in Europa. Bereits heute fliesst täglich eine enorme Kapazität von Strom in die Schweiz hinein und aus der Schweiz heraus. Die Versorgung wird durch das Abschalten der AKW nie gefährdet sein.
Klimabilanz: wo ein Wille...
Die CO2-Bilanz der schweizerischen Stromproduktion im Inland und auch im Ausland ist gut. Sie ist besser als die europäische, denn im Inland wird der Strom zu 60% aus Wasserkraft gewonnen, und im Ausland beteiligen sich schweizerische Stromunternehmen in grossem Stil an Windkraftanlagen in Norddeutschland. Aber dieser Strom gelangt physikalisch nicht in die Schweiz. Dennoch kann die Klimabilanz gut bleiben, wenn die Alternativen ausgeschöpft werden: mehr Wärmekraftkopplung, Verbot von Elektroheizungen, gedrosselter Export der sauberen Wasserkraft und natürlich mehr Dynamik beim Zubau der Erneuerbaren Energien im Inland. Wo ein Wille, ist ein Weg, und das ist überhaupt nicht utopisch, sondern pragmatisch. Wer wegen des Klimaschutzes gegen den Ausstieg ist, ignoriert nicht nur das Risiko eines Unfalls, sondern auch das sich stetig verschärfende, weltweit ungelöste Problem der Endlagerung.
SGB: seit 30 Jahren für den Atomausstieg
Die SGB-Gewerkschaften könnten am Abstimmungssonntag vom 27. November ein Jubiläum feiern, wenn es für ein Ja zur Atomausstiegsinitiative reicht. Denn fast genau vor 30 Jahren, am SGB-Kongress 1986, beschlossen sie den Ausstieg aus der Atomenergie zu unterstützen. Der Unfall im Kernkraftwerk Tschernobyl bewirkte diesen "einhelligen Stellungsbezug". Damit setzten sich die Gewerkschaften mit anderen progressiven Kräften an die Spitze einer Bewegung. Sie sind standhaft geblieben, obwohl deswegen fast alle Mitglieder bei den Stromkonzernen abhandenkamen.