Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig eine Stärkung und Weiterentwicklung des Service public ist. Trotzdem sieht sich die öffentliche Grundversorgung in der kommenden Session mit Angriffen an mehreren Fronten konfrontiert.
Der flächendeckende und effiziente Service public der Schweiz hat sich in den vergangenen eineinhalb Jahren als absolut unverzichtbar für die gute Bewältigung der Pandemie erwiesen. Der SGB hat bereits nach der ersten Infektionswelle ein ausführliches Dossier publiziert, welches die Schlüsselrolle der unterschiedlichen Versorgungsbereiche umfassend aufzeigt. Es war nicht nur die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Gesundheitsversorgung, sondern ebenso die Zuverlässigkeit des öffentliche Personenverkehrs, der logistische Kraftakt der Post, die vertrauensstiftende Berichterstattung der SRG und viele weitere Bereiche des Service public und dessen Arbeitskräfte, die im Zentrum der «funktionierenden Schweiz» standen und weiterhin stehen.
Angriffe an vielen Fronten
Doch diese unverzichtbare Grundversorgung sieht sich nun gleich an mehreren Fronten radikalen Angriffen der Rechtsbürgerlichen ausgesetzt:
- Sie wollen die Postfinance komplett verscherbeln und scheinen dabei gewillt, zuzuschauen, wie das gesamte Geschäftsmodell der Post in sich zusammenfällt (und mit ihm die postalische Grundversorgung).
- Sie wollen die stationäre Gesundheitsversorgung weitgehend privatisieren, indem die Kantone dazu verpflichtet werden sollen, die jährlich mehr als 10 Milliarden Franken, die sie für die Spitäler ausgeben, nicht mehr diesen, sondern direkt den privaten Krankenkassen zu überweisen.
- Sie wollen den Strommarkt liberalisieren, und können danach zuschauen, wie die lokalen Energieversorger von der Bildfläche verschwinden und damit auch die Energiewende zu scheitern droht.
- Sie wollen beim – pandemiebedingt immer noch unterausgelasteten – öffentlichen Verkehr das «Angebot der Nachfrage anpassen», statt auf den klimapolitisch unabdingbaren Ausbau zu setzen.
- Und zu guter Letzt wollen sie den Blochers und Tettamantis der Medienbranche den roten Teppich ausrollen, statt mit dem beschlossenen Massnahmenpaket einen minimalen medialen Service public zu etablieren.
Angriff aus den Alpen
Über diese sektoralen Angriffe auf die öffentliche Grundversorgung hinaus hat das Parlament aber in der kommenden Session unmittelbar über weitere Vorstösse zu befinden, welche den Service public ganz grundlegend in Frage stellen. So fordern etwa die Ständeräte Beat Rieder (CVP/VS) und Andrea Caroni (FDP/AR) in gleichlautenden Motionen vom Bundesrat Gesetzesänderungen, «um Wettbewerbsverzerrungen durch Staatsunternehmen einzudämmen».
Was könnte dies im Klartext heissen? Die Post verzichtet auf sämtliche Geschäfte ausserhalb des Briefmonopols, Fachhochschulen stellen die Akquirierung von Drittmitteln sofort ein, öffentliche Spitäler machen Konkurs (Wegfall der «gemeinwirtschaftlichen Leistungen») und Kantonalbanken schliessen die Türen. Es bleibe dahingestellt, was sich die beiden Herren beim Einreichen dieser Vorstösse gedacht haben.
Besonders irritierend ist aber, dass sich ausgerechnet Vertreter von Randregionen als Hauptkritiker der Bundesbetriebe aufspielen. Denn es sind genau ihre Herkunftskantone, die von der heutigen flächendeckenden Grundversorgung in jeder Hinsicht am meisten profitieren. CVP-Ständerat Rieder ist dies ja durchaus auch bewusst, denn auf anderen Bühnen – dort, wo es um die Pflege seines «Gärtchens» geht – kämpft er erbittert um den Erhalt der lokalen Poststelle, der guten Busverbindung oder der grosszügigen Subvention für die Wasserkraft.
Service public für die Klimawende
Gegen die geplanten Abbauvorlagen und -projekte werden sich die Gewerkschaften vehement zur Wehr setzen. Denn für den SGB ist klar: Der Service public darf keineswegs geschwächt, sondern muss vielmehr weiterentwickelt und ausgebaut werden. Dies gerade auch mit Blick auf die aktuell wohl grösste Herausforderung, die Klimawende: Sie ist das kollektive Zukunftsprojekt, welches nur gemeinschaftlich und demokratisch ausgehandelt wirksam umgesetzt werden kann. Mit einem starken Service public als zentraler Hebel.
Historische Vorzeigebeispiele wie der Ausbau des Bahnnetzes und die Schaffung der SBB oder der Bau der Wasserkraftwerke und des Stromnetzes zeigen: Kollektive öffentliche Fortschrittsprogramme sind alternativlos und nachhaltig erfolgreich. In analoger Weise muss nun die Energiewende in Angriff genommen werden. Überliessen wir diese Zukunftsaufgabe privaten Investoren, wäre sie zum Scheitern verurteilt – denn anstatt auf das Gemeinwohl, würden diese nur auf den Profit abzielen.