Die aktuelle angespannte Lage auf dem Arbeitsmarkt lässt sich nur durch einen effektiven Schutz der hiesigen Arbeitsbedingungen und eine aktive Arbeitsmarktpolitik verbessern. Genau jene Kreise, die nun lauthals gegen die Personenfreizügigkeit wettern, verhindern immer wieder, dass unsere Saläre mit Mindestlöhnen in GAV oder NAV geschützt werden, dass Arbeitsmarktkontrollen durchgeführt werden und dass Gewerkschaften für die Rechte der Arbeitnehmenden einstehen können. Es fehlen immer noch allgemeinverbindliche GAV in Branchen, die einen markanten Zuwachs von EU-Arbeitnehmenden verzeichnen. An der Sondersession soll eine Reihe von Vorstössen, etwa von Paul Rechsteiner, Marina Carobbio Guscetti und Hans-Jürg Fehr, behandelt werden, die eine konsequente Umsetzung der flankierenden Massnahmen fordern. Wer die Sorgen der inländischen Arbeitnehmenden Ernst nimmt und an Lösungen in der Migrationspolitik interessiert ist, unterstützt diese Vorstösse.
Chancengleichheit verwirklichen
Ausländische Arbeitnehmende haben im Schweizer Arbeitsmarkt nicht die gleichen Chancen wie die schweizerischen Kolleg/innen. Vor allem die ausländischen Jugendlichen sind von Startschwierigkeiten betroffen. Für sie gestaltet sich die Lehrstellensuche äussert mühselig. Immerhin hat der Bundesrat hier den Handlungsbedarf erkannt. Er beantragt Annahme des Postulates von Josiane Aubert (SP VD), das Massnahmen zur Verwirklichung der Chancengleichheit für ausländische Jugendliche bei der Lehrstellensuche fordert. Besonders schwierig ist die Situation jener Jugendlichen, die keinen legalen Aufenthaltsstatus aufweisen können. Diese „Sans Papiers“-Jugendliche können trotz bester Integration und guten Schulleistungen keine Berufslehre beginnen. Eine menschlich wie auch wirtschaftlich stossende Situation. Am 3. März kommen drei Motionen von Luc Barthassat (CVP GE) und Christian van Singer (Grüne VD) sowie jene von Antonio Hodgers (Grüne GE) zur Abstimmung, die eine Legalisierung von jugendlichen „Sans Papiers“ verlangen, um ihnen eine Berufs- oder höhere Schulausbildung zu ermöglichen. Anders als einzelne bürgerliche Regierungsräte oder Parlamentarier will aber die bürgerliche Mehrheit des Bundesrates keine Chancengleichheit für diese Jugendliche und lehnt die Vorstösse ab. Hoffentlich folgt die Mehrheit der eidgenössischen Räte nicht dieser Meinung.
Die Wirtschaftskrise trifft die ausländischen Erwerbstätigen besonders hart. Ihre Sprach- oder Ausbildungsdefizite wiegen nun besonders schwer. Grund genug, in ihre Nachbildung zu investieren und so ihre Arbeitsmarktfähigkeit zu erhöhen. Mittels Motion fordert André Daguet (SP BE) Bildungsgutscheine und Zeitkredite für Migrant/innen, damit diese ihre Kenntnisse der jeweiligen Landessprache verbessern können. Den Lippenbekenntnissen müssen die bürgerlichen Parteien nun endlich konkrete Massnahmen folgen lassen. Sprachkurse sind für viele Eingewanderte immer noch kostspielig oder aufgrund der meist prekären Jobs mit überlangen Arbeitszeiten häufig zeitlich nicht zu bewältigen. Der immer höhere Stellenwert der Sprachkenntnisse am Arbeitsplatz oder bei der Erteilung der Niederlassungsbewilligung bzw. Einbürgerung verlangt nach griffigen Umsetzungskonzepten. Wenn in der Migrationspolitik immer wieder von Fordern und Fördern die Rede ist, braucht es auch konkrete Fördermassnahmen.
Integration dank Anerkennung
Wer sich an einem Ort nicht akzeptiert fühlt, wird sich dort kaum integrieren. Die Schweiz hat eigentlich eine lange Tradition in der Anerkennung von verschiedenen Sprachen, Religionen oder kulturellen Eigenschaften. Sie ist mit diesem Konzept erfolgreich gefahren. Es widerspricht also der schweizerischen Tradition, wenn Andersartigkeit hierzulande keinen Platz mehr haben darf. Die Andersartigkeit und gleichzeitig die Verbundenheit mit der Schweiz sind zentrale Ausprägungen der Identität der Ausländer/innen der zweiten Generation. Secondos sind heute eine prägende Bevölkerungsschicht der Schweiz. Ihre Leistungen in Wirtschaft, Kultur, Sport oder in der Gesellschaft sind offenkundig. Viele von ihnen besitzen nebst dem Schweizer Pass auch die Staatsangehörigkeit des Herkunftlandes ihrer Eltern. Wirklich akzeptiert sind die Secondos in der Schweiz aber nicht. Denn ansonsten würden Vorstösse wie die Motion der ehemaligen Nationalrätin Jasmin Hutter direkt in den Müll wandern. Hutter will bei Einbürgerung das Doppelbürgerrecht abschaffen. Das Doppelbürgerrecht hat jedoch nichts mit einer 5er-und-Weggli Mentalität zu tun, noch mit der Loyalität gegenüber der Schweiz, sondern ist Ausdruck der Identität auch vieler Secondos. Diese Anerkennung ihrer Andersartigkeit bei gleichzeitiger Verbundenheit braucht es, wenn die Integration der ausländischen Bevölkerung wirklich das Ziel der schweizerischen Migrationspolitik sein soll.
Ebenfalls in der Sessionsvorschau: AVIG-Revision, 11. AHV-Revision und eine PUK zur Bankenkrise.