SGB-Migrationskonferenz: Gleiche Rechte für alle

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Verfasst durch Regula Bühlmann

Rund 50 GewerkschafterInnen diskutieren Demokratiedefizite

Die Schweiz ist längst zum Einwanderungsland geworden, das sie nie sein wollte, ist der Rassismusforscher Kijan Espahangizi überzeugt. Doch diese Entwicklung ist positiv für die Schweiz und ihre Gewerkschaften, so das Fazit der SGB-Migrationskonferenz vom 1. April 2017.

Rund 50 Gewerkschafter/innen haben sich am 1.4.2017 im Berner Hotel Hotel Ador getroffen. Sie diskutierten, wie ein Miteinander von Zugewanderten und Einheimischen aussehen müsste und was die Gewerkschaften dazu beitragen könnten.

Solidarische Politik erst ab den 70er Jahren

Unia-Präsidentin Vania Alleva zeigte in ihrem Referat auf, dass die Rolle der Gewerkschaften nicht immer vorbildlich war. Lange organisierten sie primär Menschen mit Schweizer Pass. Die Gewerkschaften verteidigten eine restriktive Bewilligungspraxis, um die Arbeitsplätze der Schweizer/innen zu sichern. Ab den 70er Jahren vollzogen sie einen Kurswechsel zu einer solidarischen Migrationspolitik. Sie lehnten die Schwarzenbach-Initiative ab, welche zur sofortigen Ausweisung von über 300'000 ausländischen Arbeitnehmenden geführt hätte. Seither ist die Organisierung von MigrantInnen, deren Anteil in z.B. in der Unia 50% ausmacht, zu einem wichtigen Motor für Kämpfe zur Gleichberechtigung geworden. Erfolge wie die Ablehnung der Durchsetzungsinitiative sind Zeichen davon.

Rassismus: ein Demokratieproblem

Während Vania Alleva vor allem die Einheit der GewerkschafterInnen forderte, plädierte Rassismusforscher Kijan Espahangizi (ETH und Uni Zürich) in seinem Referat für Diversität: Eingewanderte Menschen haben genau so unterschiedliche Hintergründe und Bedürfnisse wie Menschen, die in der Schweiz geboren worden sind. Espahangizi warnte vor dem inflationären Sprechen über Migration: Während in den 90er Jahren Migration zum Kampfbegriff wurde und den AktivistInnen Kraft gab, ist sie heute Stigma. Mit dem Begriff "MigrantIn" werden "Mitmenschen fremdgemacht und als Sündenböcke für alle möglichen gesellschaftlichen Probleme abgestempelt". Migration ist zu einem Diskurs geworden, der die Ungleichbehandlung von Menschen und fehlende Teilhabe rechtfertigt. Für Espahangizi ist Rassismus kein Migrationsproblem, sondern ein Demokratieproblem. Anstatt über Migration sollten wir deshalb über Demokratie, die faire Verteilung von Ressourcen und das Miteinander reden.

Demokratiedefizite angehen

Die Gewerkschaften sind bereit dafür, wie sich auch auf dem anschliessenden Podium gezeigt hat: Gülizar Cestan (Präsidentin VPOD Region Zürich), Patrizia Mordini (Leiterin Gleichstellung Syndicom), Marília Mendes (Unia) und Kijan Espahangizi tauschten sich darüber aus, wie die Gewerkschaften in einer postmigrantischen Gesellschaft Migrationspolitik machen können, ohne Menschen dadurch zu stigmatisieren und auseinander zu dividieren. Die SGB-Einbürgerungsoffensive, Abstimmungskämpfe und Projekte wie Mentoring-Programme sind wichtige gewerkschaftliche Massnahmen. Die Diskussion haben die Teilnehmenden am Nachmittag in Arbeitsgruppen weitergeführt. In einem waren sie sich einig: Der Handlungsbedarf ist gross, aber ebenso gross ist die Motivation der Gewerkschafter/innen, die Schweizer Demokratiedefizite anzugehen.

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