Ecopop, eine Angstmacherinitiative

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Verfasst durch Paul Rechsteiner, SGB-Präsident

Paul Rechsteiner: Votum im Ständerat zur Ecopop-Initiative

Ecopop ist eine Angstmacherinitiative. Sie bewirtschaftet die Sorge um unsere Umwelt und unsere natürlichen Lebensgrundlagen. Statt aber umweltpolitisch zielführende Vorschläge zu machen, schiebt sie die Schuld für die Probleme den Einwandernden zu. Den Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit, die in die Schweiz kommen. Die Ecopop-Initiative ist eine fremdenfeindliche Initiative mit umweltpolitischem Mäntelchen.

Die Initiative will die Zuwanderung auf 0,2% der ständigen Wohnbevölkerung begrenzen. Sie geht damit, was die Zahlen betrifft, sehr viel weiter als die SVP-Initiative. Dabei erfasst sie allerdings nur die ständige Wohnbevölkerung, nicht aber Kurzaufenthalter und Grenzgänger. Das Ausweichen auf Kurzaufenthalter fördert aber befristete und prekäre Arbeitsverhältnisse, was erfahrungsgemäss zu starkem Lohndruck in den betroffenen Branchen führt. Das drückt auf die Dauer auch die Löhne der Einheimischen herunter. Aber nicht nur für die Lohnabhängigen ist das schädlich. Auch umweltpolitisch ist das widersinnig. Die Grenzgänger, die teilweise grosse Strecken zurücklegen, sind mehrheitlich mit dem Auto unterwegs. Der umweltfreundliche öffentliche Verkehr ist in der Schweiz weit besser ausgebaut.

Die Initiative beschränkt sich aber nicht auf die Schweiz. Sie verlangt, 10% der Entwicklungsausgaben für die Familienplanung einzusetzen. Was soll das mit den propagierten umweltpolitischen Zielen zu tun haben? Die CO2-Belastung pro Kopf ist in einem afrikanischen Land wie dem Niger 54mal tiefer als in der Schweiz. Und die USA produzieren für sich allein eine vier Mal grössere Umweltbelastung als Indien mit seiner vier Mal grösseren Bevölkerung. Es geht den Bevölkerungspolitikern von Ecopop offensichtlich nicht um die Umweltpolitik. Ihre Agenda ist eine andere.

Was würden wir sagen, wenn ein anderer Staat in seiner Verfassung bevölkerungspolitische Massnahmen in Form von Familienplanung für die Schweiz festschreiben würde? Wir würden das als unakzeptablen Imperialismus brandmarken. In der Ecopop-Initiative kommt ein unerträgliches Herrenvolk-Denken zum Ausdruck. Auch deshalb muss sie entschieden abgelehnt und bekämpft werden.

Wenn es um die Bevölkerungspolitik geht, zeigt die jüngere Schweizer Geschichte im Übrigen drastisch, wie die Befindlichkeiten der Gegenwart jeweils die bevölkerungspolitischen Vorstellungen für die Zukunft geprägt haben. Es war der Zürcher Armensekretär Schmid, der 1912 in einer wirtschaftlichen Boomphase den unseligen Begriff der «Überfremdung» prägte. Er prognostizierte damals, dass die Schweizerinnen und Schweizer 1970 in der Schweiz nur noch eine Minderheit bilden würden. Parallel zum Aufstieg von Schwarzenbach wurde in den 60er Jahren für das Jahr 2000 die Zehn-Millionen-Schweiz vorhergesagt. Umgekehrt kam in der Krise der 30er Jahre die Angst vor der aussterbenden Schweiz auf. Diese bevölkerungspolitischen Vorstellungen waren alle falsch. Sie waren Ausdruck von Ängsten der jeweiligen Gegenwart, die regelmässig fremdenfeindlich politisch bewirtschaftet wurden. So wie heute.

Der Angst müssen die Fakten entgegengehalten werden. Wenn die Umwelt bedroht ist, dann braucht es eine Umweltpolitik, die diesen Namen verdient. Und es braucht auch eine offensive Auseinandersetzung mit dem Irrglauben, dass es den Menschen besser ginge, wenn weniger von ihnen da wären.

Am letzten Wochenende habe ich den neuen Film des Altmeisters Yves Yersin gesehen, «Tableau Noir». Der Film spielt im Neuenburger Jura. Er zeigt anschaulich, weshalb in einer solchen Region eine Schule geschlossen werden muss: weil es in dieser Region zu wenige Schüler gibt. Zu wenige Menschen und nicht zu viele.

Überhaupt: Wo sind die Probleme – auch die Umweltprobleme – grösser, im Osten Deutschlands, das sich bevölkerungsmässig entleert. Oder in Bayern oder in Baden-Württemberg, beides Bundesländer, die ähnlich wie die Schweiz wirtschaftlich boomen und eine starke Zuwanderung kennen? In Auswanderungsregionen, die wirtschaftlich am Boden liegen, ist auch die Umwelt meist schlecht dran. Detroit mit seinen leeren Strassenzügen und heruntergekommenen Fabriken ist das negativste Szenario, auch umweltpolitisch.

In den Schweizer Medien hat in letzter Zeit die biologistisch aufgeladene Metapher vom sogenannten «Dichtestress» das Wort «Überfremdungsangst» als bevölkerungspolitischen Kampfbegriff abgelöst. Es braucht eine neue Aufklärung gegen diese begriffliche Verfinsterung – bei der Bekämpfung der Ecopop-Initiative, aber auch weit darüber hinaus.

Zuständig beim SGB

Julia Maisenbacher

Secrétaire centrale

031 377 01 12

julia.maisenbacher(at)sgb.ch
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