Will er oder will er nicht?

  • Gleichstellung von Mann und Frau
Artikel
Verfasst durch Regula Bühlmann

Lohngleichheit: Warten auf den Bundesrat

Am 3. März ist die Vernehmlassung zur Revision des Gleichstellungsgesetzes, die uns endlich die lange erwartete Lohngleichheit bringen soll, zu Ende gegangen. Erfreulich zahlreich sind die Stellungnahmen, die die bundesrätliche Stossrichtung unterstützen oder - wie der SGB - schärfere Massnahmen fordern. Trotzdem - was der Bundesrat in der jetzigen Zusammensetzung mit der Vorlage macht, steht in den Sternen.

Die Arbeitgeber wehren sich nach wie vor mit Händen und Füssen gegen die vorgeschlagenen Massnahmen für die Lohngleichheit - auch wenn diese noch so zahm sind. Sie machten ja alles freiwillig und selber. Sie seien ja keine Sexisten und: Lohndiskriminierung gibt es nicht - alles nur ein Messfehler.

Sichtverengung

Ach ja? Klar, Unschärfen gibt es bei allen statistischen Messungen. Der emeritierte Lausanner Soziologie-Professor René Levy kritisierte kürzlich in einem Beitrag die Konzentration der öffentlichen Aufmerksamkeit auf das dezimalstellengenaue Ausmass von Lohndiskriminierung als "Sichtverengung". Das verführe dazu, "zentrale Begriffe wie Diskriminierung auf ihre subjektive und individuelle Seite zu reduzieren - als gäbe es Lohndiskriminierung nur, wenn sie aus einem klar formulierten Diskriminierungswillen identifizierbarer Einzelpersonen resultiert".

Individuell nie böse, aber gesellschaftlich höchst diskriminierend

Levy hat Recht. Die Diskussion über Messgenauigkeit und Diskriminierungswillen einzelner verdeckt, dass Lohndiskriminierung ein gewichtiger Aspekt eines gesellschaftlichen Problems ist. Lohndiskriminierung geschieht häufig nicht absichtlich, sondern aufgrund gesellschaftlicher Erwartungshaltungen, die Frauen und ihrer Arbeit einen geringeren Wert zugestehen - und dies unabhängig von der Produktivität. So haben Murphy und Oesch 2016 in einer im Vereinigten Königreich, in der Schweiz und in Deutschland durchgeführten Untersuchung aufzeigen können, dass mit dem Wandel von Berufen von männertypisch zu frauentypisch auch eine Absenkung des Lohnes einhergeht. Die Lohnunterschiede zwischen männlich und weiblich dominierten Berufen sind im privaten Sektor doppelt so hoch wie im öffentlichen. Murphy und Oesch sehen zu einem guten Teil gesellschaftliche Normen als Ursache.

Meist steckt also keine böse Absicht hinter Lohndiskriminierung, sondern schlicht und einfach unterschwellige sexistische Normen, die wir seit Kindheit eingeimpft bekommen. Dies gilt wohl auch für Marco Taddei (Schweizerischer Arbeitgeberverband, Ressortleiter Internationales), der in einem Fernsehinterview (Temps présents, 18.2.2016) befand, dass der niedrigere Lohn von Frauen absolut in Ordnung sei, wenn sie vom Lohn eines Ehemanns oder Partners profitieren und somit absolut angemessen leben könnten. Frauen sind hobbymässig für einen Zusatzverdienst gut: nicht böse gemeint, aber höchst diskriminierend!

Genau hinschauen

Genau deshalb müssen wir uns dafür einsetzen, dass Lohndiskriminierung nicht mehr hingenommen wird. Was wir wollen, ist nicht eine kommastellengenaue Beziffern von Diskriminierung, sondern ein öffentliches Hinschauen: Die Wirtschaft und die Unternehmen müssen sich mit ihren Geschlechternormen auseinandersetzen, müssen reagieren, wenn unbewusste Vorurteile zu höchst schmerzhaften Ungleichheiten an der Oberfläche führen. Es braucht staatliche Massnahmen, damit sich Arbeitgeber Gedanken über ihr Lohngefüge machen, Ungleichgewichte korrigieren und auch sanktioniert werden können, falls sie dem Verfassungsauftrag nicht nachkommen. Und wenn sich die Arbeitgeber gegen dieses Hinschauen wehren, muss sie der Bundesrat in die Pflicht nehmen. Er wird voraussichtlich Ende Jahr darüber entscheiden.

Kurs "Wirksame Lohnkontrollen - jetzt"

Bis der Bundesrat aktiv ist, können wir uns auf Betriebsebene für die Lohngleichheit einsetzen. Der Movendokurs "Wirksame Lohnkontrollen - jetzt!" zeigt wie es geht. Die Teilnehmenden erfahren die Fakten zur Lohngleichheit und zur Revision des Gleichstellungsgesetzes, machen sich vertraut mit Instrumenten auf politischer und betrieblicher Ebene, lernen die Methoden für Lohnkontrollen kennen und lernen Handlungsmöglichkeiten bei Verdacht auf Lohndiskriminierung.

Hotel Bern, Bern, 20. Juni 2016

Zuständig beim SGB

Julia Maisenbacher

Zentralsekretärin

031 377 01 12

julia.maisenbacher(at)sgb.ch
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