In der Herbstsession berät der Nationalrat über Vaterschaftsurlaub und Entlastungen für Menschen mit pflegebedürftigen Angehörigen. Es braucht namhafte Verbesserungen für Menschen, die sich neben dem Job noch um ihre Mitmenschen kümmern.
Wer sich um Angehörige oder Kinder kümmert, soll sich gefälligst selbst arrangieren, lautet das Credo der Wirtschaftsliberalen. Mehr als ein paar Tage Urlaub für frischgebackene Väter? Elternzeit, damit sich die Familien organisieren können? Auszeiten für die Betreuung von kranken Angehörigen? Finanzielle Absicherung für Menschen, die sich um kranke Angehörige kümmern und so das Gesundheitssystem entlasten? Alles Fehlanzeige - die Schweiz ist ein Entwicklungsland, wenn es um die Entlastung von Menschen geht, die Verantwortung für andere übernehmen.
Wichtiges Zeichen Vaterschaftsurlaub
Nun hat der Nationalrat die Chance, diesen Missstand etwas abzuschwächen: Am 11. September berät er die Initiative für einen vierwöchigen Vaterschaftsurlaub und den indirekten Gegenvorschlag des Ständerates, der zwei Wochen vorschlägt. Nicht viel, aber immerhin. Doch ein Ja zur Initiative wäre ein wichtiges Zeichen für eine fortschrittliche Familienpolitik.
Am 23. September stehen Entlastungen für Menschen mit pflegebedürftigen Angehörigen auf der Traktandenliste. So sollen gemäss Bundesrat Arbeitnehmende - wie bisher schon Eltern von kranken Kindern - bis zu drei bezahlte Freitage beziehen können, wenn sie sich um kranke Angehörige kümmern. Ausserdem ist die Ausweitung der Betreuungsgutschriften in der AHV auf Angehörige von Menschen mit nur leichter Hilflosigkeit geplant.
Verpasst hat es der Bundesrat, dem Parlament die Möglichkeit längerer Beurlaubungen für Angehörige von kranken oder verunfallten Erwachsenen vorzulegen. Hier muss die Politik noch Lösungen finden, denn die übernommene Verantwortung zwingt viele Betreuende - in der Mehrheit Frauen -, ihr Erwerbspensum zu reduzieren oder die Erwerbsarbeit ganz aufzugeben. Die Folgen für ihre finanzielle Sicherheit, gerade im Alter, sind fatal. Nötig sind längere Betreuungsurlaube, aber auch die Möglichkeit, bei Bedarf vorübergehend das Erwerbspensum zu reduzieren mit einem Anrecht auf anschliessende Wiederaufstockung.
50 Wochen fehlen
Namhafte Verbesserungen stehen für Eltern an, deren Kinder schwer erkrankt oder verunfallt sind: Diese sollen sich in einer Rahmenfrist von 18 Monaten bis zu 14 Wochen beurlauben lassen können, um Zeit für Pflege und Betreuung zu haben - und dies tage- oder wochenweise. Dieser Ansatz ist begrüssenswert, doch müssen die Urlaube bei Bedarf wesentlich länger sein: Wenn beispielsweise ein Kind an Krebs erkrankt, sind gemäss Bericht des Bundesrates durchschnittlich 64 Wochen Pflege und Betreuung nötig. Die Politik muss deshalb die Lücke von 50 Wochen füllen, die mit der vorgeschlagenen Regelung offen bleibt.
Der Nationalrat kann die Situation von Menschen mit Verantwortung für Kinder und erwachsene Angehörige verbessern. Die Vorschläge liegen auf dem Tisch, der Rat muss sie nur beschliessen und verbessern. Nach dem Frauen*streik vom 14. Juni ist dies das Mindeste, was er tun kann.