Ein Jahr nach Strick-in und Women's Marches verkennt die Ständeratsmehrheit immer noch die Zeichen der Zeit und schickt die schon abgespeckte Revision des Gleichstellungsgesetzes zur weiteren Schwächung an die Kommission zurück.
Vor einem Jahr haben die Frauen vor dem und im Bundeshaus pinkfarbene Mützen gestrickt - sie haben damit lustvoll dagegen demonstriert, dass Diskriminierung spätestens mit Trumps Auftritt wieder salonfähig geworden war. Am 19. März 2017 haben 15'000 Menschen anlässlich des Women's March in Zürich die Pussy Hats und den Protest auf die Strasse getragen. Die Kreativität der Aktionen konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch eine grosse Wut die Frauen antrieb: Wut über Sexismus, Diskriminierung und Hass.
Der Aufruf der Frauen ist ein Jahr her und die Wut noch grösser geworden. Denn immer noch stecken Wirtschaft und Politik den Kopf in den Sand, damit sie die Forderungen der Frauen nicht wahrhaben müssen. So auch am 28. Februar im Ständerat: Die kleine Kammer beriet die Vorlage des Bundesrates zur Umsetzung der Lohngleichheit, der die vorberatende Kommission WBK-S schon etliche Zähne gezogen hatte. Die Hoffnung, dass immerhin diese abgespeckte Version es durch die Beratung schaffen würde, war intakt.
Doch die Kommissionssprecherin, CVP-Ständerätin Anne Seydoux-Christe, die Nationalrätinnen im Saal und die Besucherinnen, die die Tribünen bis zum letzten Platz füllten - darunter Vertreterinnen der SGB-Gewerkschaften - mussten fassungslos mitansehen, wie der Ständerat die Vorlage unter scheinheiligen Vorwänden zurück an die Kommission schickte. Dies auf Antrag von Seydoux-Christes Fraktionskollegen Konrad Graber: Die vorgeschlagenen Massnahmen seien erstens nicht wirksam, müssten also verschärft werden, und zweitens müssten dafür Modelle der Freiwilligkeit geprüft werden.
Der Widerspruch, dass freiwillige Massnahmen das Gegenteil einer Verschärfung sind, kümmerte die Männer aus FDP, CVP und SVP nicht gross - sie spielten ihre Macht aus, weil sie es konnten: Kein bürgerlicher, sondern ein männlicher Schulterschluss. Bundesrätin Simonetta Sommaruga wies vergeblich darauf hin, dass die Frist für die Freiwilligkeit nach Jahrzehnten der Wirkungslosigkeit ganz einfach abgelaufen ist.
Die Mehrheit der Ständeräte schien schlicht froh über die Möglichkeit, Lohngleichheitsmassnahmen zu torpedieren, ohne zugeben zu müssen, dass sie diese gar nicht will. So steht die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur inkl. Kommissionsmitglied und SGB-Präsident Paul Rechsteiner nach dreimaliger ausführlicher Beratung des Geschäfts nun vor der undankbaren Aufgabe, am 19. April in einer weiteren Sitzung einen Antrag mit höchst widersprüchlichen Forderungen umzusetzen.
Für die Frauen ist die Zeit des Pussyhatstrickens vorbei: Von den Gewerkschafterinnen bis zu den bürgerlichen Politikerinnen haben sie die Geduld verloren und verlangen lautstark, was ihnen zusteht. Dies wurde deutlich am internationalen Frauenkampftag am 8. März: Unterstützt von Parteien und Frauenorganisationen haben die Gewerkschaftsfrauen zu Demos in Genf, Aarau und Bern aufgerufen - gekommen sind Tausende wütende Menschen.
Doch der Kampf geht dieses Jahr weit über den Frauenkampftag und das linke Lager hinaus: Der Frauendachverband alliance F prangert die diskriminierungsfreundlichen Ständeräte unter dem Hashtag #nichtmeinStänderat öffentlichkeitswirksam an (http://bit.ly/allfsr), die CVP-Frauen greifen ihre Ständeräte frontal an (http://bit.ly/cvpsr) und sogar die FDP-Frauen twittern in ungewohnt scharfem Ton gegen den Ständeratsentscheid (@FDPFrauenCH). Die SGB-Gewerkschaften kämpfen weiter für Lohnkontrollen und Sanktionen - mit einem nächsten Schwerpunkt am 1. Mai, an dem wir fordern: Lohngleichheit: Punkt. Schluss!