Grundsätzliches Umdenken nötig

  • Gleichstellung von Mann und Frau
Artikel
Verfasst durch Regula Bühlmann

Vereinbarkeit kommt nur langsam voran

Schon lange fordert der SGB echte Fortschritte in der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Seit dem Ja zur Masseneinwanderungsinitiative realisieren auch Wirtschaftskreise langsam Nachholbedarf. Jetzt sollen teuer ausgebildete Frauen ihre Fähigkeiten nicht mehr „daheim“ verschwenden, sondern den Wirtschaftskarren aus dem Sumpf des Fachkräftemangels ziehen. Doch die Sache stockt. Denn: zu viel kosten darf sie nicht.

In Sachen Vereinbarkeit ist ein grundsätzliches Umdenken nötig: Familie ist nicht Privatsache, Care-Arbeit ist ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor und Aufgabe der öffentlichen Hand. Die faire Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit auf Frauen und Männer muss endlich Realität werden. Das neo-konservative Modell „Er Vollzeit, sie ein kleines Teilzeitpensum“, das sich als Schweizer Besonderheit so hartnäckig hält, ist eine Sackgasse: Es bedeutet finanzielle Abhängigkeit für die Frauen und die Last der Verantwortung als Haupternährer für die Männer. Dass dieses Modell noch strukturell begünstigt wird durch Krippentarife und eine Steuerpraxis, die ein höheres Erwerbspensum von Frauen bestrafen, indem sie das Zusatzeinkommen gleich wieder auffressen, ist skandalös.

Care-Arbeit aufwerten

Die Gesellschaft muss sich endlich bewegen:  Erwerbsarbeit von Frauen sowie unbezahlte Arbeit müssen aufgewertet werden. Solange ein Erwerbsausfall von Frauen dem Familienbudget weniger weh tut als derjenige von Männern, werden erstere zugunsten der unbezahlten Arbeit zurückstehen. Und solange Care-Arbeit nicht die gesellschaftliche Wertschätzung erfährt, die sie verdient, wird sie für Männer wenig attraktiv sein – ganz besonders, wenn es nicht mehr um die Kinderbetreuung geht, sondern um die Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger.

Die Erwerbsintegration von Frauen ist trotz der Hindernisse gestiegen. Gleichzeitig reduzieren die Männer ihre Erwerbspensen langsam. Dennoch findet die Umverteilung der unbezahlten Arbeit nicht in erster Linie von Frauen zu Männern statt. Vielmehr übernehmen andere Frauen diese Arbeit: Care-Migrantinnen lassen ihre eigenen Familien zurück, um sich hier unter prekären Bedingungen um unsere Angehörigen zu kümmern.

Öffentliche Hand in der Pflicht

Die Schweiz muss ihre Vereinbarkeitsprobleme hier und nicht auf dem Buckel von Frauen aus anderen Ländern lösen. Die Finanzhilfen für die familienergänzende Kinderbetreuung, die der Bund nun zusätzlich versprochen hat, sind ein Schritt in die richtige Richtung. Doch es ist nur ein Anfang: Die Kinderbetreuung muss genauso zum Service Public gehören wie die Bildung. Das Nebeneinander von kostenloser Schule und kostenpflichtiger schul- und familienergänzender Betreuung ist eine Fehlkonzeption. Vielmehr muss die öffentliche Hand die Mittel aufbringen, um flächendeckend bedürfnisgerechte, qualitativ hochstehende und für alle bezahlbare Bildungs- und Betreuungsangebote zu gewährleisten. Auch in der Betreuung älterer oder pflegebedürftiger Personen muss der Staat seine Verantwortung wahrnehmen. Das Zurückdrängen dieser Aufgaben ins Private, wie sie mit der neuen Pflegefinanzierung geschieht, ist definitiv der falsche Weg. Vielmehr muss die öffentliche Hand mit genügend Ressourcen dafür sorgen, dass Pflegebedürftige von ausgebildetem Personal zu guten Arbeitsbedingungen betreut werden. Damit Familien nicht mehr mangels finanziellen Mitteln zu halblegalen und prekären Lösungen greifen müssen und Migrantinnen ausgebeutet werden.

Wir packen’s an

Nötig sind auch Arbeitsbedingungen und Arbeitszeiten, die Männern und Frauen eine sozial abgesicherte Vereinbarkeit von Familie und Beruf erlauben. Der SGB und seine Frauenkommission sind bereit, solche Wege hin zu echter Gleichstellung weiter zu entwickeln, auf die vorhandenen Verhältnisse abzustimmen – und für ihre Umsetzung zu kämpfen.

Zuständig beim SGB

Julia Maisenbacher

Zentralsekretärin

031 377 01 12

julia.maisenbacher(at)sgb.ch
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