Auch der Bundesrat will zwei Jahre nach dem Frauen*streik vorwärts machen mit der Gleichstellung von Frauen und Männern. Dazu hat er eine Gleichstellungsstrategie erarbeitet und veröffentlicht. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund begrüsst das Bekenntnis zur Geschlechtergleichstellung, das der Bundesrat mit der Strategie abgibt, bedauert jedoch, dass er dabei mutlos und vage bleibt – zukunftsgerichtete Ideen für mehr Gleichstellung in bezahlter und unbezahlter Arbeit fehlen. Stattdessen leistet sich der Bundesrat mit der in der Strategie verankerten Erhöhung des Frauenrentenalters einen unsäglichen Affront.
Der Bundesrat legt mit der Gleichstellungsstrategie seine Ideen vor, wie er bis 2030 die Gleichstellung von Frauen und Männern weiterbringen will. Dies ist ein wichtiges Eingeständnis, dass auch zwei Jahre nach dem legendären Frauen*streik 2019 noch grosser Handlungsbedarf besteht und der Bund seinen Teil zur Lösung beitragen will. Leider beruht die Strategie auf einem engen Verständnis von Gleichstellung: Der Bundesrat fokussiert bei seinen Massnahmen weitgehend auf Schweizer Mittelstandsfrauen, die Situation von Frauen mit Migrationshintergrund oder in Tieflohnberufen sowie Personen, die sich nicht in die binäre Geschlechterordnung einordnen wollen oder können, wird höchstens am Rand angesprochen.
Stattdessen listet die Strategie Ziele und Massnahmen auf, die zu einem grossen Teil schon in der Umsetzung sind: Bekämpfung der Lohndifferenz zwischen Frauen und Männern mittels Logib und Kontrollen im Beschaffungswesen, Förderung von Unternehmensprojekten zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen der Bundesverwaltung usw. Der SGB begrüsst die Weiterverfolgung dieser Ziele durch den Bund und fordert die konsequente Umsetzung der Massnahmen. Positiv zu werten ist auch die angestrebte Verbesserung der Datenlage bezüglich Geschlecht in Bundesstatistiken und Erhebungen.
Doch wenn der Bundesrat mit seiner Strategie die Gleichstellung bis 2030 tatsächlich vorwärtsbringen will, braucht es ehrgeizigere und verbindliche Ziele sowie innovative Massnahmen, die über das aktuelle Arbeitsprogramm des Gleichstellungsbüros hinausgehen: Neben der angestrebten besseren beruflichen Integration der Frauen braucht es Massnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Löhne im Tieflohnsektor und in prekären Arbeitsverhältnissen. Es braucht Verbesserungen in der Altersvorsorge, damit Frauen auch nach der Pensionierung finanziell eigenständig sein können – dass der Bundesrat stattdessen in der Strategie eine Erhöhung des Frauenrentenalters vorsieht, ist ein Affront ohnegleichen. Es braucht eine kohärente nationale Familienpolitik, die dafür sorgt, dass Arbeitnehmer_innen mit Familienpflichten durch zahlbare, zugängliche und qualitativ gute Betreuungsangebote entlastet werden. Und es braucht dezidierte Massnahmen gegen Sexismus und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz: Die vom Bundesrat vorgesehene Prüfung einer «möglichen Ratifizierung» der entsprechenden ILO-Konvention 190 reicht bei weitem nicht, die Schweiz muss die Konvention ohne Wenn und Aber ratifizieren.
Denn erst wenn die Gleichstellungsstrategie nicht einfach ein vages Lippenbekenntnis bleibt, sondern der Bund mit wirksamen Massnahmen verbindliche Ziele verfolgt, sind Verbesserungen bis 2030 auch tatsächlich möglich.