"Gleichstellung? Haben wir doch schon lange erreicht, ist doch gar kein Thema mehr heute." Solche oder ähnliche Aussagen hört man tagtäglich. Auch von Frauen. Insbesondere von jungen Frauen. Ich gehöre einer Generation an, wo schon in der Erziehung klar war: Was ich als Frau in der Schule und im Leben lerne, befähigt mich zu mehr als zu Hemden bügeln und Kinder grossziehen. Der Weg ans Gymnasium war leicht, nachfolgend ein Studium in Angriff zu nehmen der nächste logische Schritt. Als ich meinen 18. Geburtstag feierte, freute ich mich auf meinen ersten Urnengang, ich musste nicht erst 35 werden wie meine Grossmutter um das erste Mal abstimmen zu können. Der Anteil Mädchen an den Gymis ist mittlerweile höher als der der Jungen, an den Unis siehts genauso aus. Der Anteil erwerbstätiger Frauen steigt ständig, viele machen Karriere. So weit so gut. Unsere VorkämpferInnen haben viel für uns erreicht. Doch sind Feminismus und Gleichstellungspolitik deswegen heute kein Thema mehr? In den Gesetzen ist Gleichstellung angekommen, aber ist sie es auch in den Köpfen der Menschen?
Ich gehe am 14. Juni auf die Strasse, weil dem leider nicht so ist. Warum war der Kommentar meiner Eltern zu schlechten Leistungen in Französisch: "Streng dich mal mehr an!" und der auf eine schlechte Note in Mathe "Naja, bist halt ein Mädchen"? Kann man tatsächlich behaupten, Frauendiskriminierung sei kein Thema, wenn die Mehrheit der Studis weiblich ist und die Professorinnen gerade mal 14% der Lehrstühle besetzen? Und wenn man als Frau eine Karriere in Angriff nimmt, wie organisiert man sich mit dem Partner/der Partnerin, wenn man eine Familie gründen will? Können Männer tatsächlich ihre Verantwortung als Väter übernehmen, wenn sie kaum die Möglichkeit haben, Teilzeit-Stellen zu bekommen?
Noch immer leben wir in einer Gesellschaft, in der auch unser Geschlecht bestimmt, welche Möglichkeiten wir haben. Darum ist es so wichtig, dass Frauen und Männer am 14. Juni gemeinsam auf die Strasse gehen, für mehr Kita-Plätze, für gleichen Lohn, für eine gerechte Verteilung der Hausarbeit, für einen Vaterschaftsurlaub. Für eine Gesellschaft, in der es egal ist, ob ich als Frau oder als Mann zur Welt komme.
Lesen Sie auch die Beiträge von Christine Flinter, Elisabeth Joris und Christina Werder.