Eine Coiffeurin bei der Arbeit

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Frauenbranchen haben deutlich tiefere Stundenlöhne

  • Gleichstellung von Mann und Frau
Medienmitteilung

SGB-Analyse deckt Diskriminierung der Frauenbranchen auf

Die Stundenlöhne in Berufen, in denen grossmehrheitlich Frauen arbeiten, sind im Vergleich markant tiefer – auch nach abgeschlossener Lehre. Frauen haben viel öfter als Männer keinen 13. Monatslohn. Und in Branchen mit Frauenmehrheit ist die Lohnprogression schlechter: Erfahrung und Dienstjahre bringen kaum spürbare Verbesserungen. Die Einkommenslücke der Frauen ergibt sich somit nicht nur wegen vermehrter – und oft nicht frei gewählter – Teilzeitarbeit, sondern auch durch die wirtschaftliche Geringschätzung der «Frauenberufe». Die Teilzeit-Debatte ignoriert diese strukturelle Ungleichheit und zielt am realen Problem vorbei. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) fordert daher eine rasche Aufwertung der zu tiefen Löhnen in den sog. «Frauenbranchen».

Vania Alleva, Vizepräsidentin SGB, erklärt: «Die tieferen Löhne in den sogenannten Frauenbranchen zeigen klar: die Arbeit der Frauen ist heute noch stark unterbewertet. Obwohl die betroffenen Frauen grosse Verantwortungen übernehmen und sich aus- und weiterbilden lassen».

So haben trotz Lehre vier von zehn Frauen einen Lohn von weniger als 5’000 Franken pro Monat. Und 25 Prozent verdienen sogar weniger als 4’500 Franken, obwohl sie einen Berufsabschluss haben. Pharmaassistentin Fanny Hostettler bemängelt: «wir sind die erste Anlaufstelle für gesundheitliche Beratung, geben Medikamente ab, und müssen uns ständig auf den neusten Kenntnisstand bringen, denn ein Fehler kann schlimme Konsequenzen haben. Trotzdem sind Anfangslöhne von nur etwas mehr als 4000 Franken nach der Lehre üblich!»

Der 13. Monatslohn ist in der Schweiz mittlerweile für den grössten Teil der Arbeitnehmenden eine Selbstverständlichkeit. Rund acht von zehn Arbeitnehmenden erhalten ein zusätzliches Monatsgehalt. Leider trifft das aber gerade für zahlreiche Frauen in «Frauenberufen» mit tieferen Löhnen nicht zu. Obwohl gerade sie am dringendsten auf mehr Lohn angewiesen sind. Nur 8% der Coiffeusen und Kosmetikerinnen erhalten Ende Jahr noch ein zusätzliches Monatsgehalt, während es im Kleiderhandel nur die Hälfte sind, wie eine Analyse des SGB aufdeckt ( Dossier öffnen)

Erfahrung und Dienstjahre von Frauen werden nicht wertgeschätzt

Nicht nur das Lohnniveau, sondern auch die Lohnentwicklung der Frauen ist unterdurchschnittlich. Die Löhne von langjährigen und erfahrenen Mitarbeiterinnen mit Lehre in Branchen mit Frauenmehrheit unterscheiden sich weniger stark von den Löhnen von Neuangestellten als in Branchen mit Männermehrheit. Das Gastgewerbe ist hier ein trauriges Paradebeispiel : Arbeitnehmerinnen Anfang 50 verdienen im Mittel so viel wie ihre Kolleginnen Anfang 20. «Die Arbeitgeber wissen genau, wie wichtig es ist auch Mitarbeitende mit längerer Erfahrung in den Teams zu haben. Doch beim Lohn wollen sie das einfach nicht honorieren», stellt Beatriz Gonçalves, Serviceangestellte in der Gastronomie, fest.

Auch in der Betreuung machen Frauen in ihrem Erwerbsleben nur bescheidene Lohnfortschritte, obwohl sie sich um das wichtigste in der Gesellschaft kümmern: die Kinder. Für Alma Kaiser, Fachfrau Betreuung Kind, sind zahlreiche Ausstiege eine logische Folge: «Alle steigen in diesen Beruf voller Motivation ein. Aber nach mehreren Jahren stellen sie fest: die Lohnentwicklung ist ungenügend. Der Lohn entspricht nicht den Anforderungen und der Verantwortung. Kein Wunder, verlassen vielen den Beruf.».

Natascha Wey, Vizepräsidentin SGB, fordert: «mit den tieferen Löhne in Branchen mit Frauenmehrheit muss Schluss sein» Daher haben die SGB-Gewerkschaften beschlossen, beim diesjährigen feministischen Streik den Fokus auf konkrete Verbesserungen am Arbeitsplatz zu legen: «Nur mit gewerkschaftlicher Arbeit in den Betrieben und Branchen und mit bessern GAVs können wie die Lohnsituation der Frauen deutlich und dauerhaft verbessern».

Der SGB fordert:

  • Mindestens 5’000 Franken für Berufstätige mit Lehre. In den Gesamtarbeitsverträgen GAV müssen entsprechende Mindestlöhne festgelegt werden. Wo es keine GAVs gibt – für Kitas oder im Detailhandel – müssen solche eingeführt werden.
  • Niemand soll einen Lohn von unter 4’500 Franken haben. Das ist der Richtwert der gewerkschaftlichen Lohnpolitik. Unmittelbares Ziel oder absolutes Minimum ist ein Lohn von 4’000 Franken (x13).
  • Den 13. Monatslohn für alle.
  • Konsequente Massnahmen gegen Lohndiskriminierung: obligatorische Lohnanalysen in allen Firmen und wirksame Sanktionen bei Lohndiskriminierungen.
  • Kinderbetreuung muss als Service Public organisiert werden, damit eine fairere Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit zwischen Männer und Frauen möglich wird.
  • Höhere öffentliche Investitionen in den Service Public müssen auch zu besseren Arbeitsbedingungen in der Kinderbetreuung, dem Gesundheitswesen und dem Sozialwesen führen.
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