Bundesrat will lieber Olympia statt Vaterschaftsurlaub

  • Gleichstellung von Mann und Frau
Artikel
Verfasst durch Regula Bühlmann

Sparen da, Klotzen dort

Die bürgerliche Männermehrheit im Bundesrat hat am 18. Oktober die moderate Initiative für einen Vaterschaftsurlaub in den Wind geschlagen. Und ebenso alle noch moderateren Gegenvorschläge, die Bundesrat Berset ins Spiel gebracht hat. Es koste zuviel, so die Krücke der Argumentation.

Zu teuer sind den Bundesratsmännern die jährlich 420 Mio. Franken, die ein vierwöchiger Vaterschaftsurlaub kosten würde. Nicht zu teuer ist dem Bundesrat die Milliarde, die eine Olympiakandidatur kosten würde - dieses Geld hat er am selben Tag gesprochen.

Schweiz Schlusslicht bei Elternurlaub

Wenn es um gesetzliche Ansprüche auf geburtsbezogene Elternurlaube geht, hinkt die Schweiz dem europäischen Ausland meilenweit hinterher: Während Eltern in der EU pro Kind je mindestens vier Monate Elternzeit beziehen können, haben frischgebackene Eltern hierzulande 14 Wochen Mutterschaftsurlaub und gerade mal einen Tag Vaterschaftsurlaub zugute. Das reicht den Vätern kaum, um die Geburt zu erleben, und den Müttern auch nur knapp, um sich davon zu erholen. Die Neuorganisation und das Sich-Kennenlernen als Familie brauchen definitiv mehr Zeit.

Nach Ansicht des Bundesrates ist dies jedoch Sache von ArbeitgeberInnen und Sozialpartnern. Er selber will sich auf die familienergänzende Kinderbetreuung konzentrieren und sieht dafür einen Zehntel des Olympiabudgets vor - 100 Millionen Franken Finanzhilfe über fünf Jahre...

Gewerkschaften sind dran

Die Gewerkschaften machen ihre Hausaufgaben: In den letzten Jahren war der Ausbau von Vaterschaftsurlaub Spitzenreiter bei den GAV-Verbesserungen, nicht wenige Väter profitieren deshalb von einer, zwei oder noch mehr Wochen Vaterschaftsurlaub. Doch es kann nicht sein, dass Lösungen für Eltern davon abhängen, ob die Arbeitgeber mitspielen oder nicht. Denn viele von ihnen scheuen Kosten und Organisation, die die bezahlte Abwesenheit von Vätern mit sich bringt. Was sie bei den jährlichen Wiederholungskursen der Armee anstandslos schlucken, soll plötzlich bei der Geburt eines Kindes ein Problem sein - als ob das Töten Lernen ein hehrerer Zweck wäre als ein Kind ins Leben zu begleiten.

Deshalb wäre ein gesetzliches Minimum, das über einen Tag hinausgeht, dringend nötig. Gerade der Bundesrat, der im Kontext der Fachkräfteinititiative die Erwerbsintegration der Frauen fördern will, müsste ein Interesse daran haben, die Verantwortung für Kinder auf beide Elternteile zu verteilen. Ein Vaterschaftsurlaub wäre ein kleiner, aber bitter nötiger erster Schritt.

Familie: nicht nur Privatsache

Weitere wichtige Schritte, die der SGB schon lange fordert, sind ein längerer Mutterschaftsurlaub mit 100% Erwerbsersatz und je 12 Wochen Elternzeit für beide Elternteile, die ihnen nicht nur einen guten Start ins Familienleben ermöglichen, sondern auch die anschliessende Organisation des Alltags erleichtern. Das würde den Eltern ermöglichen, festgefahrene Rollenvorstellungen zu überdenken und sich gemeinsam um das Familieneinkommen und die Kinderbetreuung zu kümmern. Familie ist nicht nur Privatsache: Sie ist Sache von Männern und Frauen - und wenn es Bund und Arbeitgebern ernst ist mit der Bekämpfung des Fachkräftemangels, auch Sache der öffentlichen Hand. Die Schweiz muss aufbrechen in eine Zukunft, in der einmalige Grossereignisse nicht wichtiger sind als die andauernde Familienarbeit. Die Initiative für einen Vaterschaftsurlaub bietet dazu eine erste Chance.

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