1991 arbeitete ich in einem Verlag. Am 14. Juni versammelten sich die Frauen dort im Pausenraum, schmückten das Gebäude und schrieben ihre Forderungen auf. Das gab schlechte Stimmung bei der Geschäftsleitung. Nicht die Tatsache, dass wir das ganze Haus lila behängten und uns in der Arbeitszeit versammelten, sondern dass wir konkret forderten statt zu bitten, und dazu auch noch die Verfassung zitierten.
Zwanzig Jahre später ist das kaum noch vorstellbar. Alle sind für die Gleichstellung. Öffentlich wird das Recht auf gleichen Lohn wohl kaum noch jemand bestreiten.
Besonders im öffentlichen Dienst hat sich dank dem Gleichstellungsgesetz einiges getan: Eine Reihe von sogenannten Frauenberufen wurde in den Lohnsystemen angehoben, und viele öffentliche Arbeitgeber haben Regelungen, welche die Situation berufstätiger Eltern besonders berücksichtigen. Auch präventive Massnahmen gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz gehören inzwischen zum Standard bei den öffentlichen Arbeitgebern.
Trotzdem harzt es an vielen Orten immer noch. Eine Umfrage, die wir im Vorfeld des diesjährigen 14. Juni gemacht haben, zeigt: Arbeitgeber halten übereinstimmend Teilzeitarbeit für eine Gleichstellungsmassnahme. Das ist falsch. Teilzeitarbeit ist für viele Frauen und einige Männer eine Möglichkeit, ihre verschiedenen Pflichten unter einen Hut zu bringen, aber sie bezahlen dafür durch Teillöhne, schlechtere soziale Absicherung und später schlechtere Renten. Statt dass eine gesamtgesellschaftliche Lösung für die Frage der Vereinbarkeit von Betreuungsaufgaben und Erwerbsarbeit gesucht wird, wird das Problem auf die einzelnen abgewälzt – überwiegend auf Frauen.
Bezahlte und unbezahlte Betreuungsarbeit ist für die gesamte Gesellschaft lebenswichtig, und sie wird in Zukunft noch wichtiger werden. Trotzdem ist sie nicht wirklich anerkannt, da sie traditionell von Frauen gemacht wird. Die Löhne im Bereich der bezahlten Betreuungsarbeit sind zu niedrig, und die Arbeitsbedingungen oftmals schlecht. Das Personal in Spitälern und Heimen steht unter Spardruck, Spitex-Dienste sind unterfinanziert, in den Kitas gibt es zu wenig Plätze und zu wenig ausgebildetes Personal – so darf das nicht weitergehen!
Alle sind heute für Gleichstellung, aber kosten darf sie immer noch nichts. Betreuungsarbeit braucht Anerkennung und sie braucht Geld – das ist mit ein Grund, am 14. Juni auf die Strasse zu gehen!
Lesen Sie auch die Beiträge von Elisabeth Joris, Christina Werder und Tanja Walliser.