Avenir Suisse definiert Diskriminierung neu!

  • Gleichstellung von Mann und Frau
Artikel
Verfasst durch Regula Bühlmann

Ein Abwehrgeschreibsel

Am 18. November – also „zufälligerweise“ am gleichen Tag wie der bundesrätliche Vorschlag zur Lohngleichheit – hat Avenir Suisse ein Papier publiziert, das neue Ideen zur Gleichstellung liefern soll, jedoch schlussendlich alten Wein in neuen Schläuchen serviert. Sachlich soll die Analyse sein – anscheinend im Gegensatz zum Diskurs des BFS und des Bundes -, doch was uns Avenir Suisse hier vorsetzt, hat mit Sachlichkeit und Wissenschaftlichkeit herzlich wenig zu tun. Gut, namhafte Studien und AutorInnen werden zitiert, was ein vielversprechender Anfang ist. Die Schlüsse, die Marco Salvi und Co. daraus ziehen, muten jedoch zuweilen mehr als abenteuerlich an.

Ein Grundproblem des Papiers ist die unsorgfältige Auseinanderhaltung der verschiedenen Ebenen und Kategorien: Die Autorinnen und Autoren vermischen Aussagen zur Lohnstrukturerhebung - einer Analyse der Gesamtwirtschaft ohne juristische Implikationen - mit solchen zu Analysen von Einzelunternehmen; ebenso wenig unterscheiden sie zwischen Medianlohn und Durchschnittslöhnen, und zuweilen geraten ihnen auch erklärte und unerklärte Lohnunterschiede durcheinander – obschon sie Lohnunterschiede doch gerade erklären wollen. Qualifizierte Aussagen sind natürlich auf Basis dieses Kuddelmuddels nicht zu erwarten.

Nun aber zur Kernaussage des Papiers: Frauen sind an der Lohnungleichheit selber Schuld – nichts Neues. Neu ist jedoch die Definition, die uns Avenir Suisse zur Diskriminierung bietet: Die Arbeitgeber sind weder frauenfeindlich noch wollen sie Frauen schlechter bezahlen. Also kann es ja nicht Diskriminierung sein. Und was machen wir mit stereotypen Erwartungshaltungen, Vorurteilen und „pauschalen Erwartungen bezüglich der Wertvorstellungen der Frauen und deren künftigem Erwerbsverhalten“ (S. 31)? „Neben der eindeutigen, mit expliziter Aversion und grober Ausgrenzungsabsicht verbundenen Diskriminierungsneigung ist diese implizite, a priori unbeabsichtigte und durch die Arbeitgeber realistischerweise kaum zu vermeidenden Benachteiligung aus Sicht des Individuuums problematisch“ (S. 30). Aber nicht weiter schlimm, denn solche Schubladisierungen finden „bei jeder Anstellung fast notwendigerweise statt“ (S. 30). Also, Problem vom Tisch, resp. nicht zu vermeiden – staatliches Handeln unnötig. Und wir haben gelernt: Ist es Absicht, handelt es sich um Diskriminierung; fehlt die Absicht, ist es unternehmerische Freiheit, ein Kollateralschaden, jedenfalls nid bös gmeint…

Nicht nachvollziehbar ist, dass die Medien diesem unwissenschaftlichen Abwehrgeschreibsel mindestens so viel Gewicht geben wie den zwei ebenfalls am 18. November publizierten Studien des Bundes, die ähnliche Fragen mit wissenschaftlichen Methoden aufgreifen: Die Universität St. Gallen, INFRAS und die FHNW haben untersucht, ob der Markt bei Lohngleichheit spielt und ob die Methoden, mit denen die Lohndifferenz analysiert wird, erhärtet sind. Die Resultate sind erfreulich und bisweilen auch eine positive Überraschung: Der Markt versagt, die Methoden funktionieren und zwei Drittel der befragten Unternehmen begrüssen staatliche Massnahmen. Ausserdem hat die Hälfte der Unternehmen, die ihre Löhne analysiert haben, anschliessend Anpassungen durchgeführt. Packen wir es also an, ohne uns durch pseudowissenschaftliche Auftragsstudien vom Weg zur Lohngleichheit abbringen zu lassen!

Und bezüglich der Forderung von Avenir Suisse, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern: Noch so gern! Das eine tun und das andere nicht lassen!

Zuständig beim SGB

Julia Maisenbacher

Zentralsekretärin

031 377 01 12

julia.maisenbacher(at)sgb.ch
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