Die SGB-Frauen sind Teil des anti-trumpistischen Bündnisses "We can't keep quiet". Sie rufen für den 8. März zu Aktionen und Manifestationen auf. Der Auftakt zu einem feministischen Revival? Interview mit Regula Bühlmann, beim SGB zuständig für Gleichstellung.
Wieso macht der SGB bei der Bewegung "We can't keep quiet" mit?
Am internationalen Tag der Frau veranstalten der SGB und seine Verbände immer Aktionen. 2015 haben wir im Rahmen eines gewerkschaftsübergreifenden Bündnisses am 7. März in Bern eine grosse Manifestation mit 12'000 Teilnehmenden durchgeführt. Dieses Jahr stellen wir uns den sexistischen und rassistischen Äusserungen von Donald Trump entgegen. Die wachsende Bewegung "We can't keep quiet" antwortet Trump. Sie erhebt nicht spezifisch zugespitzte Forderungen, sondern ruft dazu auf, gegen Sexismus, Diskriminierung aller Art und Intoleranz zu protestieren. Sie will Frieden sowie Respekt der Menschenrechte und der Demokratie.
Eine neue feministische Bewegung?
Nein. Aber der Feminismus zeigt sich durch die Bewegung gestärkt. In ihr machen sowohl altgediente Feministinnen wie junge erstmals politisierte Frauen mit. Die Wahl von Trump hat zu einem allgemeinen Erwachen geführt. Die Menschen realisierten rasch, dass Gleichstellung bei weitem nicht realisiert ist. Zuvor hatten doch viele angenommen, Gleichstellung sei verwirklicht, Frauen und Männer könnten frei wählen, was und wie sie wollten - alles sei nur eine Frage der Individuen, nicht der Strukturen. Dass aber so jemand wie Trump gewählt werden konnte, verwies auf ein strukturelles Problem. Die sozialen Medien haben viel dazu beigetragen, die angeblich individuellen Probleme als solche struktureller Ebene wahrzunehmen. Man sah das schon an der Tolle, die durch die "Arena" mit dem Titel "Frauen an den Herd?" provoziert wurde - oder am #SchweizerAufschrei auf den sozialen Netzen in der Deutschschweiz.
Welche spezifischen Forderungen erheben die Gewerkschaften für den 8. März 2017?
Die soziale und wirtschaftliche Sicherheit für alle Frauen durch würdige Renten und die Anerkennung nicht entlohnter Arbeit in den Sozialversicherungen. Dann verlangen wir würdige Löhne, mit einem Mindestlohn von 4000.- pro Monat und Lohngleichheit. Letztere muss kontrolliert und sanktioniert werden. Kommt der ganze Bereich von Pflege und Betreuung: Diese Arbeit ist korrekt zu entlohnen und muss in guten Bedingungen geleistet werden können. Die öffentliche Hand muss ihre entsprechenden Leistungen verbessern und allen zugänglich machen. Zu garantieren ist schliesslich die Vereinbarkeit von Erwerb und Familie.
Seit Jahrzehnten schon beklagen die Gewerkschaften Lohnungleichheit. Was tun, damit es in diesem Dossier endlich vorwärts geht?
Der Bundesrat wird seine Botschaft zur Revision des Gleichstellungsgesetzes noch vor dem Sommer vorstellen. Das Parlament beginnt seine Beratungen voraussichtlich im Herbst. Wir brauchen eine breite Allianz, um die Gleichstellung voranzubringen. Wenn heute Frauen gegen Lohnungleichheit klagen, erweist sich das System als viel zu schwerfällig. Ohne Lohntransparenz verpuffen diese Klagen oft. Die vorgesehene Pflicht zu einer Lohnkontrolle bedeutet einen Schritt nach vorne, auch wenn wir weiterhin Sanktionen für jene Unternehmen fordern werden, die sie nicht wahrnehmen. Wir haben festgestellt, dass die Hälfte aller Arbeitgeber, die ihre Lohnstruktur analysiert haben, anschliessend die Löhne der Frauen angepasst haben. Wir müssen nicht gegen sondern mit den Arbeitgebern schaffen, damit sie sich der Ungleichheiten bewusst werden.
Eine Studie aus der Romandie hat kürzlich gezeigt, dass Ungleichheiten vor allem nach der Geburt des ersten Kindes aufbrechen: Die Paare fallen dann wieder in die traditionelle Rollenteilung zurück. Wieso das?
Rein gesetzlich haben wir die Gleichstellung quasi erreicht. Strukturell jedoch dauert die traditionelle Rollenteilung an. Ein junges Paar denkt, die nach der Kindesgeburt finanziell beste Wahl bei dieser Teilung zu treffen. Frei kommt diese Entscheidung nicht zustande. Und gut überlegt ist sie zumeist auch nicht: Nur wenige sind sich etwa darüber bewusst, was Teilzeitarbeit für die Karriere und die spätere Rente bedeuten. Das zeigt sich erst viel später, vor allem nach einer Trennung.
Die Medien scheinen sich immer weniger für die Ungleichheiten zwischen Mann und Frau zu interessieren. Mussten zuerst Hunderttausende von Frauen in den USA auf die Strasse, damit die Bewegung auch in der Schweiz wieder an Fahrt gewinnt?
Geschadet hat es sicher nicht. In der Schweiz gab es eine solche Arroganz, wie sie sich in Trump zeigt, bisher noch nicht. Und wer in Prekarität lebt, sich mit Kindern, schlecht bezahltem Job und Haushalt herumschlägt, hat oft nicht die Zeit, sich zu engagieren. Ich hoffe, dass wir mit "We can't keep quiet" vielen zeigen können, dass Gleichstellung noch nicht verwirklicht ist. Und dass sie nicht Kampf zwischen Männern und Frauen bedeutet, sondern dass alle davon profitieren.