Liebe Kolleginnen und Kollegen,
zuerst mal möchte ich euch danken und gratulieren, dass ihr das Wallis für diesen Unia-Kongress ausgewählt habt. Das Wallis ist eine Region der Arbeiter und Gewerkschaften. Es ist eine Region, in der die Unia jedes Jahr mehr Mitglieder gewinnt. Das zeigt, dass es möglich ist! Alle Diskussionen über den zunehmenden Individualismus, die vielen politischen Projekte, die es umzusetzen gilt, den Rückgang der Arbeitsplätze in unseren klassischen Branchen – all das gibt es auch im Wallis, aber diese Region baut ihre Mitgliederzahlen aus, und dies trotz der starken Konkurrenz durch die christlichen Gewerkschaften. Das sollte uns in der ganzen Schweiz inspirieren.
Ausserdem war das Wallis durch den Bau von Staudämmen, Brücken und Tunneln, die die wirtschaftliche Entwicklung der Schweiz geprägt haben, eine Arbeiterregion. Diese Grossprojekte waren nur möglich, weil Arbeiter aus unserem Land, aber auch und vor allem Arbeiter, die zu uns gekommen waren, um zu arbeiten, oft ihre Gesundheit, ihr Familienleben und manchmal sogar ihr Leben geopfert haben. Im Jahr 2025 denken wir an die 86 Arbeiter und 2 Arbeiterinnen, die am 30. August 1965 auf der Baustelle des Mattmark-Staudamms ums Leben kamen. Unter Tonnen von Eis und Felsen wurden 56 Italiener, 23 Schweizer, 4 Spanier, 2 Deutsche, 2 Österreicher und 1 Staatenloser begraben. Wir gedenken dieser Opfer der Arbeit, ebenso wie der Opfer der Baustelle von Malley im Kanton Waadt im Juli 2024 und all der viel zu vielen Todesfälle am Arbeitsplatz.
Diese Ereignisse zeigen auch, wie sehr unsere lebenswichtige Infrastruktur in der Schweiz mit und dank der Einwanderung aufgebaut wurde. Denjenigen, die das vergessen haben, sollten wir diese Geschichte bei der nächsten Abstimmung über die SVP-Initiative zur Zehn-Millionen-Schweiz wieder ins Gedächtnis rufen.
Seit über fünfzig Jahren stimmen wir regelmässig über Fragen der Einwanderung und des Asyls ab. Die grösste rechte Partei der Schweiz hat das zu ihrem Hauptkampfthema gemacht. Seit Jahrzehnten stimmen die Schweizer Politik oder die Stimmbevölkerung immer wieder Massnahmen zu, die in die Richtung dieser Partei gehen. Und was ändert das? Ausser dass es das Leben der Menschen, die zu uns kommen, schwieriger macht, eigentlich nichts. Die Schweiz erlebt seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine lange Phase des Wirtschaftswachstums. Und das zieht Einwanderung nach sich.
Man kann es drehen und wenden, wie man will, Einwanderung ist nichts anderes als die Folge des Wirtschaftswachstums. Diejenigen, die wirklich eine Verringerung der Einwanderung wollen, stimmen damit für eine Rezession, also mehr Arbeitslosigkeit, weniger Einnahmen für die AHV und unseren Service public, mehr Armut und Sparpolitik.
Das ist wären die möglichen Folgen dieser Initiative. Um das zu vermeiden, werden die Ultraliberalen der SVP, wenn diese Initiative angenommen wird, ausländische Arbeitskräfte illegal ins Land holen, um sie ausbeuten zu können, oder sie werden billige Aufenthaltsgenehmigungen nach dem Vorbild der Saisonniers schaffen. Die Wiedereinführung von Kontingenten und prekären Arbeitsverhältnissen ändert nur eines: Es kommen genauso viele Arbeitskräfte zu uns, aber sie haben weniger Rechte und werden stärker ausgebeutet. Das wiederum verschärft den Wettbewerb mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die bereits in der Schweiz leben.
Was wir also tun müssen, ist, diesen unfairen Wettbewerb einzuschränken und die Löhne besser zu schützen. Das ist die gewerkschaftliche Strategie. Das haben wir schon in den Verhandlungen mit Europa so gemacht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir waren und bleiben in diesen Verhandlungen kompromisslos. Wir haben den ersten Entwurf des Rahmenabkommens verhindert, der unser gesamtes Lohnschutzsystem geschwächt hätte. Wir kämpfen weiter gegen das Stromabkommen, das uns in Richtung einer vollständigen Deregulierung dieses wichtigen Sektors treibt, obwohl eine solche Liberalisierung überall gescheitert ist.
Aber im Gegensatz zum Rahmenabkommen hat die zweite Verhandlungsrunde beim Stabilisierungsabkommen zur Freizügigkeit einige Verbesserungen gebracht. Der neue Entwurf lässt uns selbst entscheiden, wie oft wir Lohnkontrollen machen, und wir können weiterhin mit paritätischen Kommissionen für Kontrollen und Sanktionen agieren. Zwar ist die Ankündigungsfrist kürzer und die Kaution ist deutlich schwächer. Dafür haben wir aber Ausgleichsmassnahmen gefordert. Wir haben vom Bundesrat 14 Massnahmen erhalten, die die Information und die Durchführung der Kontrollen verbessern und eine bessere Durchsetzung der Sanktionen gewährleisten. Und wir haben endlich eine Massnahme erreicht – die 14. in diesem Paket –, die die Personalvertretungen besser vor Entlassung schützt.
Ich sage es hier ganz klar: Die Parteien und Wirtschaftskreise, die diese Abkommen wollen, müssen diese 14 Massnahmen akzeptieren. Wenn sie auch nur eine einzige davon schwächen, dann zeigen sie damit, dass sie diese Abkommen mit der EU für nicht sehr wichtig halten. Keine dieser 14 Massnahmen schadet nämlich Unternehmen, die ihre Arbeit ordnungsgemäss machen und unsere Gesetze einhalten. Wirtschaftlich gesehen kosten sie fast nichts. Sie abzulehnen oder zu bekämpfen heisst, die Abkommen mit Europa abzulehnen. Wenn also die Arbeitgeber signalisieren, wie wenig wichtig ihnen diese Abkommen sind, dürfen sie sich nicht wundern, wenn wir uns im Gegenzug dagegen wehren, wenn sie die eine oder andere vom Bundesrat vorgeschlagene Massnahme angreifen.
Wir sind bereit, uns für eine florierende Wirtschaft in der Schweiz einzusetzen. Das haben wir in der Vergangenheit getan, als die bilateralen Abkommen entwickelt wurden, gegen die Aufholinitiative der SVP, während der Covid-Zeit und kürzlich bei der Verabschiedung der Zölle.
Aber wir wollen, dass der Wohlstand, den diese florierende Wirtschaft bringt, auch allen zugutekommt. Eine Wirtschaft, in der die Leute immer härter arbeiten müssen und am Ende weniger Geld auf dem Konto haben, hat keine Zukunft. Derzeit ist das in der Schweiz der Fall. Steigende Mieten, steigende Krankenkassenprämien und stagnierende Löhne sind ein schleichendes Gift, das das Vertrauen der Bevölkerung in unser Wirtschafts- und Demokratiemodell zerstört.
Wir, die Gewerkschaften dieses Landes, bieten das echte Gegengift. Mit der 13. AHV-Rente, die im Dezember 2026 zum ersten Mal ausgezahlt wird, haben wir bereits eine konkrete Lösung gefunden. Wir bieten die beste Medizin, wenn wir Verbesserungen im Gesamtarbeitsvertrag durchsetzen, wie es die Unia gerade bei Coop getan hat. Die Maurer, die vorbildlich und mutig für bessere Arbeitsbedingungen und Löhne kämpfen, sind die beste wirtschaftliche und demokratische Therapie, die unser Land braucht. Das gilt auch für all eure Kämpfe und Verhandlungen, um ein bisschen mehr von dem Reichtum zu bekommen, den wir schaffen.
Die Heilmittel aller Trumps dieser Zeit, alle autoritären Rechtsextremen sind nichts anderes als Scharlatanerie. Sie dienen nur dazu, die Privilegien der Milliardäre noch eine Weile zu bewahren. Übrigens sind sie alle entweder selbst Milliardäre oder werden von Milliardären finanziert. Es ist dieselbe ultraliberale Suppe, gewürzt mit Fremdenfeindlichkeit und Demagogie.
Wir sind die Alternative, das waren wir schon immer. Wir machen das Leben all derer besser, die arbeiten müssen, um zu leben.
Ich wünsche euch allen einen guten Kongress. Stärkt euch, stärkt uns! Wir haben eine grosse Verantwortung. Unsere Demokratie braucht unsere Kraft, um zu überleben und sich weiterzuentwickeln.
Danke für eure Aufmerksamkeit
Es gilt das gesprochene Wort.

