LadÖG: Keine landesweiten obligatorischen Mindest-Ladenöffnungszeiten
(lc) Die rechtsbürgerliche Mehrheit im Parlament will ein Ladenöffnungszeitengesetz (LadÖG) erzwingen. Sollte der Ständerat einknicken, dann ergreifen die Gewerkschaften das Referendum.
Der Ständerat ist im vergangenen Jahr nicht auf das Gesetz eingetreten, der Nationalrat hat im Frühjahr der Vorlage zugestimmt. Also ist wieder die kleine Kammer dran - und deren Mehrheit will sich nun dem Nationalrat anschliessen.
Das neue Gesetz würde die Arbeitsbedingungen für das Personal im Detailhandel drastisch verschlechtern. Es will den Kantonen vereinheitlichte Mindest-Ladenöffnungszeiten aufzwingen. Es dereguliert gleichzeitig die Arbeitszeiten, insbesondere die Abend- und Samstagsarbeit. Dabei würden den Kantonen Mindestladenöffnungszeiten von Montag bis Freitag von 6-20 Uhr und an Samstagen von 6-18 Uhr (Entscheid Nationalrat) vorgeschrieben werden.
Diese Erweiterung der Ladenöffnungszeiten wird sich für die betroffenen Arbeitnehmenden schädlich auswirken. Ausgeprägt gilt dies für Frauen in Teilzeitpensen, mit Erziehungs- und Care-Aufgaben und mit prekären Arbeitsbedingungen. In verschiedenen Umfragen haben sich die VerkäuferInnen denn auch gegen längere Öffnungszeiten ausgesprochen. Zudem fehlt im Detailhandel immer noch ein Branchen-GAV. Der Branchen-Arbeitgeberverband Swiss Retail Federation weigert sich bis heute hartnäckig, einen GAV zu verhandeln. Dies ist inakzeptabel.
Die Gewerkschaften wehren sich auch aus einem anderen Grund gegen die Vorlage. Sie entspricht der üblichen Salamitaktik zur vollständigen Deregulierung der Arbeitszeiten. Zuerst ist der Detailhandel visiert, dann alle Branchen! Hier müssen die Gewerkschaften für Sand im Getriebe sorgen. Die Gewerkschaften verteidigen die Gesundheit, das Familien- und Sozialleben der ArbeitnehmerInnen. Deshalb wehren sie sich gegen die Deregulierung der Arbeitszeiten. Und deshalb werden sie das LadÖG, sollte es das Parlament verabschieden, per Referendum bekämpfen.
Unternehmenssteuerreform III: Nein zu erneuten happigen Privilegien
(dl) In dieser Session wird das Parlament die Unternehmenssteuerreform III (USR III) fertig beraten. Leider ist nicht davon auszugehen, dass die eingeschlagene Marschrichtung wesentlich ändert. Der SGB wird deshalb das Referendum gegen die USR III unterstützen.
Ziel der Unternehmenssteuerreform III war ursprünglich, dass die Schweiz ungerechtfertigte Steuerprivilegien für multinationale Firmen und Finanzgesellschaften abschafft. Der SGB hat das unterstützt. Doch die rechtsbürgerlichen Kräfte haben die Reform in krasser Art und Weise missbraucht, um den Firmen und ihren Aktionären neue, weitergehende Steuerprivilegien zu gewähren.
Für den SGB ist klar: Auch Unternehmen müssen Steuern zahlen. Denn auch sie brauchen öffentliche Dienstleistungen. Ohne Unternehmenssteuern kämen die wirtschaftlichen Zentren mit den Firmensitzen in Finanznöte. Denn Steuern würden nur noch in den Wohngemeinden und -kantonen bezahlt. Ausländische Aktionäre der Firmen erhielten den Schweizer Service Public sogar steuerfrei.
Die USR III führt zu einem weiteren, flächendeckenden Senkungswettlauf bei den Unternehmenssteuern. Geradezu pervers ist es, dass der Bund diesen Steuersenkungswettlauf anheizt, indem er den Kantonen mehr als eine Milliarde für Steuersenkungen überweist.
Die so genannte "zinsbereinigte Gewinnsteuer" schafft ein schwarzes Loch in den Schweizer Steuergesetzen. Es ist mit grossen Ausfällen zu rechnen, die im Moment niemand beziffern kann - wie bereits bei der Unternehmenssteuerreform II. Sie erlaubt es auch reichen Privatpersonen, ihre Steuern substanziell zu senken - indem sie ihr Vermögen in eine Firma auslagern.
National- und Ständerat haben darüber hinaus eine Reihe von weiteren Steuerprivilegien geschaffen (Patentbox, F&E-Abzug u.a.). Sie behaupten, dass sie mit einer Beschränkung des maximalen Steuerabzugs auf 80 Prozent Steuerausfälle verhindern. Doch das ist Augenwischerei, denn selbst mit dieser Regelung sind rekordtiefe Steuerbelastungen von 3 Prozent völlig legal.
Fazit: Die USR III führt zu riesigen Steuerausfällen bei Bund, Kantonen und Gemeinden Gewisse Firmen werden fast keine Steuern mehr zahlen. Berappen werden das die Normalverdienenden. Der SGB lehnt die USR III deshalb ab. Er wird das Referendum unterstützen.
Legislaturplanung: Lohngleichheit nicht ausbooten
(rb) Der Nationalrat hat die Revision des Gleichstellungsgesetzes mit 91 zu 89 Stimmen und ohne taugliche Argumente aus der bundesrätlichen Legislaturplanung rausgeschmissen. Nun eröffnet sich dem Ständerat die Chance, diesen grotesken Fehlentscheid zu korrigieren.
Seit der Bundesrat gesetzliche Massnahmen gegen die Lohndiskriminierung angekündigt hat, laufen Bürgerliche und Arbeitgeber dagegen Sturm und streiten unter Negierung aller Fakten ab, dass es überhaupt Lohndiskriminierung gibt. Dabei wollen sie sich einfach nicht in die Karten schauen lassen: Sie halten die unternehmerische Freiheit höher als die Grundrechte und Transparenz in Sachen Löhnen ist ihnen ein Graus.
Nach den nationalen Wahlen 2015 hat diese Position auch im Parlament eine übermächtige Mehrheit: Nachdem der Bundesrat im November 2015 die dringend nötige Revision des Gleichstellungsgesetzes in die Vernehmlassung geschickt hatte, hat der Nationalrat in der Sondersession vom April beschlossen, das Geschäft aus der Legislaturplanung zu streichen. Der Bundesrat soll also dem Parlament nicht einmal eine Botschaft dazu unterbreiten.
Ganz unabhängig von der politischen Einschätzung der Gesetzesrevision zeugt es von einem höchst fragwürdigen Demokratieverständnis, die begonnene Diskussion darüber einfach abzuwürgen. Man muss nicht generell für Lohnkontrollen sein, um sich der Debatte darüber zu stellen. Wer jedoch die Anliegen der Bevölkerung ernst nimmt, die Bemühungen des EJPD zur Ausarbeitung eines mehrheitsfähigen Entwurfs wertschätzt und die Überlegungen der VernehmlassungsteilnehmerInnen nicht einfach in den Wind schlagen will, muss bereit sein, die Beratung zu Ende zu führen. Ein solches Staatsverständnis erwarten wir vom Ständerat. Seine Spezialkommission hat schon vorgespurt und empfiehlt, die Gesetzesrevision in der Legislaturplanung zu behalten.
Darüber hinaus bleibt es eine Tatsache, dass Frauen für gleichwertige Arbeit nach wie vor nicht denselben Lohn bekommen wie Männer. Weshalb sonst würde die Hälfte der Unternehmen, die eine Lohnanalyse durchführen, anschliessend ihre Lohnstrukturen anpassen? Ohne Kontrolle hätten sie den Handlungsbedarf gar nicht erst erkannt. Der SGB fordert deshalb mit Nachdruck flächendeckende Lohnkontrollen in den Betrieben, eine nationale Behörde mit Sanktionsbefugnis, Stichprobenkontrollen sowie den Einbezug der Gewerkschaften auf nationaler und Betriebsebene. Der Bundesrat kann dem Parlament auch ohne Vorgabe im Legislaturplan eine entsprechende Botschaft unterbreiten, wenn er dies will... Eine entsprechende Vorgabe in der Legislaturplanung erhöht jedoch den Druck auf den Bundesrat, dies tatsächlich zu wollen. Der Ständerat muss den Fehlentscheid des Nationalrats korrigieren und den Druck auf den Bundesrat aufrechterhalten, damit wir eine gute Lösung für die Lohngleichheit finden.
Einbürgerung: dreht endlich der Wind?
(jc) Jahrelang bewegte sich nichts mehr in Sachen Einbürgerung. Nun aber könnte das ändern. Der Ständerat hat Gelegenheit, entsprechende Zeichen zu setzen.
Nach erfolgreicher Bodigung der sog. Durchsetzungsinitiative hat der SGB, die wohl grösste MigrantInnen-Organisation der Schweiz, die Lancierung einer Einbürgerungskampagne beschlossen. Sie visiert insbesondere Secondos und Secondas. Denn am 28. Februar hat eine Mehrheit der Stimmenden bekundet, dass die zweite Generation Teil der Schweiz ist.
Die kleine Kammer wird am 2. Juni eine Interpellation von SGB-Präsident und Ständerat Paul Rechsteiner behandeln. In seinem Vorstoss fordert Rechsteiner den Bundesrat implizit auf, sich aktiv für die Einbürgerung der Secondos und Secondas zu engagieren, dabei die bevorstehende Inkraftsetzung des neuen Schweizer Bürgerrechts für eine Informationsoffensive zu nutzen und die Kantone und Gemeinden einzubeziehen.
Bereits im Jahr 2008 verlangte Nationalrätin Ada Marra (SP/VD) mit ihrer Parlamentarischen Initiative "Die Schweiz muss ihre Kinder anerkennen" für die MigrantInnen der dritten Generation eine erleichterte Einbürgerung. Bundesrat und Nationalrat stimmten zu, im Ständerat wurden einige Kurven mehr gedreht. Nunmehr wird die kleine Kammer diesen Vorstoss am 13. Juni behandeln. Die vorberatende Kommission ist aber gegenüber dem Entscheid des Nationalrates auf die Bremse getreten. So verlangt sie etwa, dass nur bis Alter 25 eine erleichterte Einbürgerung verlangt werden kann. Zudem wäre zu belegen, dass ein Grosselternteil über eine Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz verfügt hatte.
Der SGB unterstützt diese Verschärfungen nicht. Er bevorzugt die schlankere Version des Nationalrates. Grundsätzlich ist er für eine automatische Einbürgerung von Terzos und Terzas. Die erleichterte Einbürgerung kann jedoch zumindest als ein grosser Schritt in diese Richtung angesehen werden.
BFI-Botschaft: Aufstockung nötig
(lp) Die Botschaft zur Förderung (BFI) 2017-2020 wird der Nationalrat am 9. Juni diskutieren. Die Botschaft bilanziert die letzte Etappe (2013-2016) und hält die Ziele und Mittel für die kommenden 4 Jahre fest. Sie sieht, auf die 4 Jahre verteilt, ein Budget von beinahe 26 Milliarden Franken und 4 Förderschwerpunkte vor: die Finanzierung der Vorbereitungskurse für die eidgenössischen Berufsprüfungen, die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, mehr Studienabschlüsse in Humanmedizin und die Förderung der Innovation.
Das Problem: Die BFI-Botschaft wurde erarbeitet mit der Annahme eines jährlichen Wachstums der Mittel von 3,2 %. Die vorgesehene Summe erlitt jedoch eine 800 Mio. Franken schwere Abmagerungskur. Das Wachstum fiel so auf 2 %, ohne dass jedoch gleichzeitig die Ziele und Förderschwerpunkte angepasst worden wären. Im Rahmen des "Stabilisierungsprogrammes 2017-2019 wurden dem BFI-bereich nochmals 555 Mio. Franken abgezwackt. Die simple Philosophie hinter diesen Abstrichen: "Macht mehr mit weniger Mittel!" Der SGB widersetzt sich diesen Sparmassnahmen. Er fordert:
- ein jährliches Wachstum von mindestens 3,9 %;
- eine Stärkung der höheren Berufsbildung, aber nicht zulasten der beruflichen Grundbildung;
- eine Erhöhung des Budgets für Stipendien;
- eine Erhöhung des Budgets für die Weiterbildung; -
- ein klares Profil für die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses an den Fachhochschulen mit ausreichender Praxisverankerung.
Der SGB spricht sich also für eine klare Stärkung des Bereichs von Bildung, Forschung und Innovation aus. Nur so können wir auch künftig unser hervorragendes Bildungssystem weiter entwickeln, was sich für die Auszubildenden wie für die Wirtschaft lohnen wird.
Integration von Flüchtlingen: Gute erste Schritte
(lp) Die Integration von Flüchtlingen in Gesellschaft und Arbeitsmarkt ist eine Herausforderung. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) will die berufliche Integration der Flüchtlinge fördern und hat dazu das Pilotprojekt einer Flüchtlingslehre entwickelt. Es besteht aus einer Integrationsvorlehre einerseits und einem Programm für das frühzeitige Erlernen der Ortssprache andererseits. 2018 soll das Projekt starten und 800 bis 1000 Personen pro Jahr und Massnahme umfassen.
Der SGB begrüsst dieses Vorgehen. Angesichts der Dringlichkeit wünscht er sich jedoch mehr Tempo und Wirksamkeit. Er unterstützt die Integrationsprojekte. Diese dürfen jedoch die bestehenden Arbeitsverhältnisse nicht konkurrenzieren. Minimalbestimmungen in GAV sollten grundsätzlich immer gelten. Ausnahmen davon sind fallweise zu diskutieren und ausreichend zu begründen. Integrationsprojekte haben zudem einen bedeutenden Anteil an Bildung zu umfassen. Noch nicht gebührend berücksichtigt sind zudem die traumatischen Erfahrungen und die vielfältigen Probleme der neu ankommenden Flüchtlinge. Da drängt sich eine ganzheitliche Sicht der Lage auf.
In diesem Sinn hat SGB-Präsident Paul Rechsteiner (SP/SG) eine Interpellation eingereicht, die zum Thema der Flüchtlingsintegration eine nationale Konferenz nach dem Muster der Lehrstellenkonferenz verlangt. Teilnehmen daran sollen alle wichtigen Akteure, insbesondere der Kantone, der Wirtschaft und der Sozialpartner. Gemeinsam sollen sie die Lage analysieren und Lösungen vorschlagen. Der Ständerat behandelt diese Interpellation am 2. Juni.