Am 20. Juni ging Sommersession der eidgenössischen Räte zu Ende. Hier jeweils ein kurzer Kommentar zu Vorlagen, die aus Sicht des SGB eine besondere Beachtung beanspruchen. Der Überblick geht von Themen wie Ecopop zu Erbschaftssteuer, über Kinderzulagen, Stipendien, Weiterbildung und Bürgerrechte.
Ecopop-Initiative abstimmungsreif
(ea) Der Nationalrat empfiehlt wie der Ständerat eine Ablehnung der Ecopop-Initiative. Damit dürfte diese im November 2014 zur Abstimmung gelangen. Das Begehren will, dass die Zuwanderung höchstens um 0,2 % pro Jahr wächst. Der SGB wird sich für ein Nein engagieren.
Wie schon in der kleinen Kammer im Frühling hatte das Volksbegehren auch im Nationalrat im Sommer nicht den Hauch einer Chance. Sogar die SVP-Mitglieder lehnten die Vorschläge als zu starr ab. Aus Gewerkschaftssicht sind die Auswirkungen der Initiative auf die Arbeitswelt fatal. Jean Christophe Schwaab (SP VD) verwies denn auch darauf, dass das Begehren nur auf die ständige Wohnbevölkerung ziele. Die Unternehmen würden so auf entsandte Personen, Kurzaufenthalter und Grenzgänger ausweichen können. Also auf jene Kategorien von Beschäftigten, die am anfälligsten sind für schlechte Arbeitsbedingungen. Mit anderen Worten: Die Initiative wird die Dumpingschraube heftig anziehen.
Deshalb wird der SGB die Ecopop-Initiative aktiv bekämpfen.
Erbschaftssteuer: Ständerat will Zusatzschlaufe
(ea) Die kleine Kammer hat die Volksinitiative für eine Erbschaftssteuerreform an die Kommission zurückgewiesen. Diese soll, was der Bundesrat schon getan hat, die Vorlage nochmals auf ihre Gültigkeit überprüfen. Der Trägerverein „Erbschaftssteuerreform“ sieht dieser unnötigen Übung mit Gelassenheit entgegen. Dann sollen halt noch ein paar zusätzliche Wochen durchs Land streichen, bis endlich die Inhalte der Initiative zur Sprache kommen.
Denn inhaltlich „verhäbt“ die Initiative. Sie stellt mehr Verteilgerechtigkeit her. Sie betrifft nur gerade jene rund 2% der Steuerpflichtigen, die ein Vermögen von mehr als 2 Mio. Franken besitzen. Sie sieht weitgehende Erleichterungen für KMU und Landwirtschaftsbetriebe vor. Mit einem Steuersatz von 20% auf jenem Teil des Nachlasses, der 2 Millionen übersteigt, ist auch für Private mässig gehalten. Es ist keine Flucht der alten Reichen zu erwarten. Denn in Deutschland und Frankreich etwa ist der entsprechende Satz viel höher. Und die Verwendung des Ertrags – zwei Drittel für die AHV, ein Drittel für die Kantone – ist sozial und berücksichtigt die Tradition.
Weiterbildungsgesetz: Verantwortung der Arbeitgeber endlich festgelegt
(vp) Das Weiterbildungsgesetz hat die Differenzbereinigung überstanden. Art. 5, der bestimmt, dass die öffentlichen und die privaten Arbeitgeber die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter/innen begünstigen, wurde von einem Teil der Rechten erbittert, aber schlussendlich erfolglos, bekämpft. Erst im letzten Moment hat der Nationalrat klein beigegeben und ist auf die Linie von Bundes- und Ständerat eingeschwenkt.
Trotz dieses Zugeständnisses ist das Gesetz nur ein kleiner Wurf. Festzuhalten ist, dass die gesetzliche Verankerung der Grundkompetenzen einen Schritt nach vorn bedeutet. Man sollte ihn nicht unterschätzen: Er ermöglicht künftig neue Synergien zwischen der obligatorischen Ausbildung und der beruflichen Grundausbildung und kann so den Zugang von Erwachsenen zu einem anerkannten Abschluss erleichtern.
Gegenvorschlag zur Stipendieninitiative: inhaltsleer
(vp) Der Ständerat hat alle enttäuscht, denen Chancengleichheit ein Anliegen ist. Die kleine Kammer ist dem Nationalrat in einer ganzen Reihe von Punkten, die den Harmonisierungseffekt des interkantonalen Stipendienkonkordates gestärkt hätten, nicht gefolgt. So hat er den Vorschlag des Nationalrats, mehr Artikel des Konkordates in das Gesetz zu überführen (Art. 4), zurückgewiesen, ebenso die Motion der grossen Kammer, die den Bund aufforderte, seine Beteiligung an der Finanzierung der Stipendien zu erhöhen. Und indem das Parlament es auch ablehnte, die Bundesmittel den Kantonen nach den effektiven Ausgaben zu verteilen, hiess es das Giesskannenprinzip gut. Bremserkantone werden so belohnt; jene, die sich für Chancengleichheit engagieren, bestraft.
Mittlerweile verbleibt eine einzige Differenz in Art. 4. Der Nationalrat beharrte hier auf seiner Position. Zu hoffen ist, dass der Ständerat nachgibt. Wie es auch immer ausgehen wird: der Gegenentwurf zur Stipendieninitiative bleibt ein Paket mit schöner Verpackung, aber wenig Inhalt.
Bürgerrechtsgesetz: Einigungskonferenz nötig
(jc) Nach dem langen Pingpong zwischen den beiden Kammern geht das Bürgerrechtsgesetz, das die Zugangsbedingungen zum Schweizer Pass regelt, in die Einigungskonferenz. Der Ständerat hat sich der harten Linie des Nationalrates nicht vollends gebeugt. In der letzten Runde schluckten die Kantonsvertreter/innen die Bestimmung des Nationalrates, die mindestens 10 Jahre Aufenthalt als Voraussetzung zum Antrag auf Einbürgerung festlegt. Zuvor noch hatte der Ständerat für 8 Jahre optiert. Differenzen blieben jedoch. So beharrte der Ständerat darauf, dass die zwischen dem 10. und 20. Lebensjahr verbrachten Jahre weiterhin doppelt angerechnet werden. Der Nationalrat will dasselbe für die Zeitspanne zwischen 5 und 10 Jahren.
Allgemein war die Beratung der Vorlage von Verhärtung geprägt. Die Bedingungen der Einbürgerung werden erschwert. So sollen etwa künftig nur mehr Inhaber/innen des Permis C den roten Pass beantragen können. Einbürgerung soll nicht von dieser Mentalität eines überlangen Hürdenlaufes geprägt sein. In diesem Sinn wär es nicht schade, wenn die Vorlage die Einigungskonferenz nicht überlebte.
Schweiz ratifiziert IAO-Abkommen Nr. 189
(ea) Die grosse Kammer hat am 12. Juni der Ratifizierung von IAO-Abkommen 189 zugestimmt. Damit wird dieses Abkommen, das die Stellung der oft brutal ausgebeuteten Hausangestellten stärken will, auch in der Schweiz gelten.
Hausangestellte gehören heute oft zu den am meisten ausgebeuteten Arbeitskräften. In manchen Staaten werden ihre Rechte mit Füssen getreten. Darum sind sie auf besonderen rechtlichen Schutz angewiesen. Der SGB setzte sich deshalb innerhalb der IAO an führender Stelle für das neue Abkommen 189 ein. Dieses verankert denn auch weltweit massgebende Minimalstandards.
Der Ständerat hatte in der Frühjahrssession die Ratifizierung des IAO-Übereinkommens 189 mit 35:0 Stimmen empfohlen. Im Nationalrat verlief das Geschäft viel harziger. FDP und SVP legten sich quer. Einige ihrer Sprecher begründeten ihr Nein in der Plenumsdebatte vom 12. Juni mit dem Fakt, „dass die Schweiz ja sowieso alles erfüllt – also wieso noch ein Abkommen unterzeichnen!“. Andere Opponenten jedoch meinten: „Vielleicht erfüllen wir aber nicht alles – und dann müssen wir plötzlich noch handeln.“
Und das wollten sie nicht. Aber vielleicht werden sie es jetzt müssen. Denn mit 99 zu 82 stimmte der Rat der Ratifizierung zu. Der SGB begrüsst diesen Entscheid. Er sendet ein starkes Zeichen internationaler Solidarität aus.
Ständerat beerdigt Motion Buttet
(ea) Mit seiner Motion wollte der Walliser Nationalrat Buttet kleinen Läden in den periphären Gebieten neu erlauben, an Sonntagen Arbeitnehmer/innen zu beschäftigen. Das wäre ein weiterer Schritt in Salamitaktik gewesen: wieder eine Scheibe weg am Verbot der Sonntagsarbeit. Genau so rechtfertigte Buttet seinen Vorstoss: Was an grossen Bahnhöfen, an Tankstellen, in Tourismusgebieten erlaubt sei, müsse jetzt auch den kleinen Läden in den Berggebieten zugestanden werden…
Der Nationalrat hatte im September trotz Widerstand der Linken und des Bundesrates die Motion angenommen, der Ständerat hat sie am 16.6. abgelehnt. Zurecht. Das grundsätzliche Verbot, am Sonntag Arbeitnehmende zu beschäftigen, kennt bereits zuviel Ausnahmen. Der kleine Laden, den Buttet visierte, kann sonntags gleichwohl offen halten: Wenn er Familienmitglieder beschäftigt. Denn diese fallen nicht unter das aufrecht erhaltene Verbot. – Der SGB begrüsst den Entscheid der kleinen Kammer. Damit ist nun einer der vielen Angriffe auf die Sonntagsruhe abgewehrt.
Kinderzulagen: Familien im Regen stehen gelassen
(ea) In beiden Räten sind Vorstösse für bessere Kinderzulagen gescheitert. Paul Rechsteiner verlangte via Motion eine Erhöhung der minimalen Kinderrente um 50 Franken pro Monat (von 200 auf 250 Fr.), eine Parlamentarische Initiative der SP verlangte eine Aufstockung um 60 Franken. Paul Rechsteiner wies darauf hin, dass die vom Bundesamt für Statistik ausgewiesenen Kinderkosten seit Festlegung des Zulage-Minimums vor 10 Jahren stark gestiegen seien: für 1 Kind von damals 819 auf heute 942 Franken, für 2 Kinder von 1310 auf 1507 Franken. Nur die Hälfte der Kantone habe indessen das Minimum erhöht. Deshalb sei die Zeit jetzt reif für eine Anpassung. Die bürgerliche Mehrheit blieb stumm, betonierte jedoch: die berechtigten Vorstösse wurden im Ständerat mit 24 gegen 13 und im Nationalrat mit 129 gegen 55 Stimmen abgelehnt.