Löhne schützen, bessere Renten, Abbau bekämpfen

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Paul Rechsteiner zu den wichtigsten SGB-Zielen im neuen Jahr

SGB-N: Seit den Wahlen haben FDP und SVP eine Mehrheit im Nationalrat. Diese bürgerliche Mehrheit politisiert prononciert antisozial und generell arbeitnehmerfeindlich. Welches sind angesichts dessen die drei grössten Herausforderungen für den SGB im kommenden Jahr?

PR: Die erste Herausforderung besteht darin, 2016 ein geregeltes Verhältnis mit der EU zu erreichen. Wir wollen die Arbeitsplätze und die Löhne sichern. Dafür braucht es eine Stärkung der Schutzmassnahmen. Zum zweiten geht es darum, die AHV-Renten zu verbessern. Wir werden für unsere Volksinitiative AHVplus kämpfen, die zur Abstimmung kommt. Für die Altersvorsorge 2020 ist die Ausgangslage nach den Wahlen schwieriger geworden. Klar ist: Eine von Verschlechterungen geprägte Vorlage wird von uns bekämpft werden. Ein gutes Signal ist der erfolgreiche Kampf der Bauarbeiter für Rentenalter 60 mit guten Renten auf dem Bau. Das bestätigt zum einen, dass es anständige Renten braucht und es eine Verschlechterung nicht verträgt. Und zum andern, dass zusätzliche Beiträge kein Tabu sind, wenn es mehr Geld braucht. Abgesehen von den Renten müssen wir 2016 wohl mit grösseren Angriffen auf die sozialen Errungenschaften im Arbeitsgesetz und durch Sparprogramme rechnen. Aber wir sind nicht wehrlos. Soweit Gesetze geändert werden, können wir Verschlechterungen mit dem Referendum bekämpfen.

Die Bürgerlichen haben im Nationalrat die Forderung nach höheren AHV-Renten hart angegriffen. Sie werfen der Initiative vor, dass sie Giesskannenverbesserungen bringe, die man nicht bezahlen könne. Was sagst Du?

Unser Grundsatz ist: Wer ein Leben lang gearbeitet hat, muss von AHV- und BVG-Rente anständig leben können. Die AHV spielt dabei eine zentrale Rolle. Die AHV-Renten sind jedoch gegenüber den Löhnen in Rückstand geraten. Dieser Rückstand muss aufgeholt werden, umso mehr als gerade Menschen mit tiefen und mittleren Löhnen bei der Pensionierung einen empfindlichen Einkommensschnitt verdauen müssen. Klar ist, dass es mehr Finanzen braucht, wenn die Renten erhöht werden. Der nötige Mehrbedarf an Mitteln ist bei der AHV gut investiert. Ich verweise nochmals auf die Bauarbeiter: Die Lohnbeiträge für gute Renten lohnen sich.

Wieso konzentrieren sich die Gewerkschaften auf eine Stärkung der AHV?

In der zweiten Säule zahlen wir zwar immer mehr ein, müssen aber froh sein, wenn wir wenigstens das Erreichte halten können. Die AHV hat für alle mit unteren und mittleren Einkommen ein sensationelles Preis-Leistungsverhältnis. Deshalb ist klar: Wir müssen die AHV stärken, wenn die Menschen im Alter sicher leben sollen.

Themenwechsel: Der Bundesrat will die Masseneinwanderungsinitiative mit einer Schutzklausel umsetzen. Auch ohne Einigung mit der EU sollen damit ab einem noch nicht bezifferten Schwellenwert Kontingente für einen Rückgang der Zuwanderung sorgen. Ein akzeptabler Weg?

Wir müssen auf jeden Fall die bilateralen Verträge erhalten. Einen Rückgriff auf Kontingente mit der Neuauflage eines Saisonnierstatuts lehnen wir klar ab. Die Vergangenheit hat gezeigt: das führt nur zu Diskriminierung und einer Tieflohnpolitik in den betroffenen Branchen. Im neuen System mit gleichen Rechten für alle ist es gelungen, die Löhne zu verbessern und die Gesamtarbeitsverträge zu stärken. Das sind unsere Ziele, und wir kämpfen weiter für sie, aber unter veränderten Voraussetzungen.

Die Menschen sind verunsichert. Sie befürchten Stellenverlust und Lohnabbau. Was tun? Es geht darum, die bereits ergriffenen Schutzmassnahmen weiter zu entwickeln. Die flankierenden Massnahmen zum Schutz der Löhne hatten und haben eine positive Wirkung. Auf neue Probleme braucht es aber neue Antworten. Nicht nur auf Bundesebene. Auch in den Kantonen ist im Kampf gegen Lohndumping einiges in Bewegung geraten. Im Tessin, in Baselland und in Genf gibt es neue Massnahmen. In Zürich wird im Februar über eine gewerkschaftliche Initiative gegen Lohndumping abgestimmt. Das sind wichtige Schritte. Auch zum Schutz älterer Beschäftigter muss mehr geschehen.

Im Februar stimmen wir u.a. über die sogenannte Durchsetzungsinitiative ab. Warum ist ein Nein zu dieser Initiative so wichtig? Das Parlament hat im Gesetz zum neuen Ausschaffungsartikel eine Härtefallklausel festgeschrieben. So wie es der Rechtsstaat verlangt. Die sogenannte Durchsetzungsinitiative will dagegen einen Automatismus ohne jeden Spielraum für die Gerichte. Obwohl es um existenzielle Entscheide geht. Das verstösst gegen die Menschenrechte, aber auch gegen die Gewaltenteilung. Die Ausschaltung der Gerichte ist ein Angriff auf den Rechtsstaat. Es geht um menschliche Schicksale. Nämlich um Hunderttausende von Secondos und Secondas, die hier geboren und aufgewachsen sind. Und um ihre Angehörigen. Sie gehören zur Schweiz. Nicht nur wenn es um Fussball geht. Auch wenn sie einmal eine Dummheit oder eine Jugendsünde begangen haben. Dafür sollen sie bestraft werden, wie alle anderen auch. Aber nicht auch noch ihre soziale Existenz verlieren. Alles andere wäre eine Schande für die schweizerische Demokratie.

Zuständig beim SGB

Daniel Lampart

Premier secrétaire et économiste en chef

031 377 01 16

daniel.lampart(at)sgb.ch
Daniel Lampart
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