Die Sommersession der eidgenössischen Räte beginnt am 2. und endet 20. Juni. Beraten werden unter anderem einige Volksinitiativen, die der SGB mitlanciert hat – oder die er entschieden bekämpfen wird.
Ecopop-Initiative: Umweltbesorgnis in der Hülle, Fremdenfeindlichkeit im Kern
(ea) Der Nationalrat berät als Zweitrat die Ecopop-Initiative, die ihrem vollen Titel nach einen „Stopp der Überbevölkerung“ will. Und das „zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen“. Die Initiative verlangt, dass die ständige Wohnbevölkerung pro Jahr höchstens um 0,2 % wachsen darf. Der SGB lehnt diesen Eingriff ab. Er hätte gravierende Folgen für die Arbeitnehmenden.
Auch Bundesrat und Ständerat empfehlen die Volksinitiative äusserst deutlich zur Ablehnung. Aus Gewerkschaftssicht sind die Auswirkungen der Initiative auf die Arbeitswelt fatal. Denn das Begehren erfasst nur die ständige Wohnbevölkerung, nicht aber Kurzaufenthalter und Grenzgänger. Damit ermöglicht und fördert es den Unternehmen, auf Kurzaufenthalter und Grenzgänger auszuweichen. Mit anderen Worten: befristete und prekäre Arbeitsverhältnisse würden zunehmen. Das wird zu einem starkem Lohndruck in den betroffenen Branchen führen, der sich bald einmal auch auf die Löhne der Einheimischen auswirken wird.
Aber auch umweltpolitisch ist es widersinnig, vermehrt auf Grenzgänger zu setzen, die zumeist mit dem Auto unterwegs sind. Zudem verlangt die Initiative, dass 10 Prozent der Entwicklungsausgaben für die Familienplanung einzusetzen sei. Wie das in der Praxis funktionieren soll, kann man sich kaum ausmalen. Soll die Schweiz in den Staaten des Südens eine Pille- und Pariserpolizei finanzieren, die kontrollierend durch die Schlafräume tourt? Das ist die alte westliche Kolonialarroganz, die so tut, als ob es die ärmeren Menschen im Süden wären, die für den explodierenden Ressourcenverbrauch verantwortlich wären.
Für den SGB ist die Ecopop-Initiative klar abzulehnen. Er hat beschlossen, das Begehren aktiv zu bekämpfen.
Erbschaftssteuer: Gerecht, moderat und nützlich
(ea) Der Ständerat behandelt als Erstrat die Volksinitiative « Millionen-Erbschaften besteuern für unsere AHV ». Das vom SGB mitgetragene Volksbegehren verlangt die Einführung einer Erbschafts- und Schenkungssteuer auf Bundesebene. Der Ertrag der Steuer soll zu zwei Dritteln an die AHV und zu einem Drittel an die Kantone gehen.
Legion sind in den letzten Jahren die Kantone, welche die Erbschaftssteuer, zumindest für direkte Erben, abgeschafft oder doch sehr zurückgestutzt haben. Deshalb soll neu der Bund die Kompetenz erhalten, eine Erbschafts- und Schenkungssteuer zu erheben. Eine solche nationale Steuer stellt einen Hebel gegen eine immer extremere Vermögensverteilung dar. Das reichste Prozent der Bevölkerung in der Schweiz besitzt mehr Vermögen als die übrigen 99%. Und der Reichtum der Reichsten wächst munter weiter. Verfügten die 300 reichsten Personen in der Schweiz nach „Bilanz“ im Jahr 2010 noch über zusammen 470 Mrd. Franken, waren es drei Jahre später schon 564 Mrd. Franken. Die Volksinitiative «Millionen-Erbschaften besteuern für unsere AHV» wirkt dieser extremen und schädlichen Vermögenskonzentration entgegen.
Der fleissige Sparer wird nicht bestraft
Die vorgeschlagene Erbschaftssteuer trifft kleine und mittlere Vermögen nicht. Wer sich mühsam sein Eigenheim zusammenspart, braucht keine Angst zu haben. Denn die Initiative sieht einen Freibetrag von 2 Mio. Franken vor. Gehören Betriebe oder landwirtschaftliche Güter zur Erbmasse, sind noch weitergehende Entlastungen vorgesehen. Die Initiative ist also alles andere als ein Raubzug auf das Portemonnaie des fleissigen Bürgers. Im Gegenteil: sie ist eine faire und gerechte Steuer.
Jährlich mindestens 3 Mrd. Franken
Jährlich werden in der Schweiz rund 40 Mrd. Franken Vermögen vererbt. Die von der Initiative vorgeschlagene Ausgestaltung der Erbschafts- und Schenkungssteuer wird davon mindestens 3 Mrd. Franken abschöpfen. Denn die nationale Erbschafts- und Schenkungssteuer wird die Nachlässe von über 2 Mio. Franken mit einem Steuersatz von 20 Prozent besteuern. Die Einnahmen sollen zu zwei Dritteln für die AHV verwendet werden. Damit kommen sie wieder allen zugute. Ein Drittel soll den Kantonen verbleiben.
IAO-Abkommen Nr. 189: Menschenwürdige Arbeit auch für Hausangestellte
(lc) Der Nationalrat wird am 12. Juni die Ratifizierung des IAO-Abkommens 189 diskutieren. Dieses Abkommen will die Stellung der oft brutal ausgebeuteten Hausangestellten stärken.
„So elementar die Arbeit von Hausangestellten ist, so prekär ist oft ihre Stellung in der Realität. Hausangestellte sind regelmässig Frauen aus tiefen sozialen Schichten; sie haben einen tiefen Lohn, sie sind verletzbar, sie sind umso mehr auf den rechtlichen Schutz angewiesen. Das neue Abkommen setzt die Minimalstandards, die weltweit ausstrahlen, die weltweit massgebend sein müssen.“ Mit diesen Worten hatte SGB-Präsident Paul Rechsteiner in der Frühjahrssession die Ratifizierung des IAO-Übereinkommens 189 empfohlen. Der Ständerat entschied in diesem Sinn. Mit 35:0 Stimmen setzte er so ein starkes internationales Zeichen. Jetzt muss der Nationalrat auf diesem Pfad folgen.
Es geht darum, dass die Schweiz ein Zeichen der Solidarität nach innen und aussen sendet. Die Schweiz war an vorderster Front beteiligt, als es darum ging, in einer der letzten ILO-Konferenzen diese wichtige Konvention auszuhandeln. Zudem erfüllt die schweizerische Rechtsordnung gemäss Bundesrat die Vorgaben des Übereinkommens.
Volksinitiative für steuerfreie Kinderzulagen: Familien stärken – aber alle und nicht nur die begüterten
(ea) Der Nationalrat behandelt als Erstrat die Volksinitiative « Familien stärken! Steuerfreie Kinder- und Ausbildungszulagen». Das von der CVP eingereichte Volksbegehren hält jedoch nicht, was es verspricht. Profitieren würden nur gut betuchte Familien.
Sowohl der Bundesrat wie die vorberatenden Kommissionen beider Kammern beantragen Ablehnung des Volksbegehrens. Sie verweisen mit Recht darauf, dass wegen der Progression vor allem gut betuchte Familien von steuerfreien entsprechenden Zulagen profitieren würden. Bei Familien mit mittleren und tiefen Einkommen würde diese Steuerbefreiung wenig bis nichts bringen.
Der SGB ist jedoch klar der Meinung, dass es höhere Kinderzulagen braucht. Eine Erhöhung fordern denn auch eine von der sozialdemokratischen Fraktion am 15.4.2013 eingereichte Parlamentarische Initiative sowie eine Motion Rechsteiner vom 21.3.2014. Die Fraktionsinitiative verlangt eine monatliche Erhöhung um 60 Franken, die Motion um 50 Franken. Die vorberatende Kommission des Nationalrates beantragt die Ablehnung der Parlamentarischen Initiative, der Bundesrat die Ablehnung der Motion Rechsteiner. Der Ständerat wird die Motion am 13.6. im Plenum diskutieren. Zu hoffen ist, dass er sich der Argumentation von Paul Rechsteiner anschliesst. Seine Begründung: „Die Mindesthöhe der Kinderzulage liegt seit der Verabschiedung des Familienzulagengesetzes 2006 bei 200 Franken, jene der Ausbildungszulagen bei 250 Franken. Inzwischen richten 12 Kantone höhere Zulagen aus. Eine Anpassung der Mindestzulagen für die ganze Schweiz ist fällig geworden.“
Bürgerrechtsgesetz: Verlangt sind weniger Einschränkungen
(jc) Die beiden Räte packen die dritte Runde der Differenzberatung an. Der Nationalrat beharrte bisher auf mindestens 10 Jahren Aufenthalt, um ein Gesuch auf Einbürgerung stellen zu können. Der Ständerat begnügte sich mit acht Jahren, wollte den Anspruch jedoch auf Menschen mit C-Bewilligungen beschränken. Eine zweite Differenz besteht darin, dass der Nationalrat die zwischen dem 5. und 15. Lebensjahr verbrachten Jahre in der Schweiz bei dieser Frist doppelt anrechnen will, während der Ständerat die Jahre zwischen 10 bis 20 so bewerten will. Die Jahre, in denen jemand als vorläufig aufgenommen galt, sollen dabei für die grosse Kammer nicht gelten, für die kleine aber schon. Die Kantonsvertreter/innen sind auch weniger streng bei den verlangten sprachlichen Kenntnissen. Der Nationalrat hat da einen guten mündlichen und schriftlichen Ausdruck in einer Landessprache verlangt.
Bis heute zeichnet sich nur wenig Annäherung der Ratsstandpunkte ab. Es ist also möglich, dass die Vorlage scheitert.
Der SGB ist klar gegen eine Verschärfung der Voraussetzungen zur Einbürgerung. Er verlangt kürzere Fristen und weniger Einschränkungen. Er lehnt die Limitierung auf Menschen mit Permis C ab. Ebenso hält er die Doppelzählung der Jahre zwischen Alter 10 und 20 für richtig. Für die Einbürgerung hier geborener Migrant/innen sind zudem raschere und einfachere Verfahren vorzusehen.
Weiterbildungsgesetz: Arbeitgeber müssen ihre Verantwortung wahrnehmen
(vp) Die Kommission des Ständerates hat sich quasi einstimmig für eine gemeinsame Verantwortung des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers für die Weiterbildung ausgesprochen. Damit stimmt sie bei Artikel 5 der Vorlage erneut dem Vorschlag des Bundesrats zu. Der Bundesrat schlägt vor, die Verantwortung auf drei Ebenen anzusiedeln. Zuerst einmal soll Weiterbildung eine Verpflichtung des Individuums darstellen. Zum zweiten soll der Arbeitgeber einen günstigen Rahmen bieten. Drittens soll der Staat subsidiär intervenieren, um den Zugang zu Weiterbildung aller je nach ihren Fähigkeiten zu fördern. Die Kommission der kleinen Kammer widersetzt sich so der Mehrheit des Nationalrates, die von einer Verantwortung des Arbeitgebers nichts wissen wollte.
Der SGB, der ein viel weiter gehendes Engagement der Arbeitgeber gefordert hatte (insbesondere eine bezahlten Bildungsurlaub von mindestens einer Woche pro Jahr), nimmt den Entscheid der Kommission mit Befriedigung zur Kenntnis. Eine gemeinsame Verantwortung von Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Staat hinsichtlich Weiterbildung ist grundlegend, um diesem Gesetz Sinn zu verleihen. Vergessen wir es nicht: Das Gesetz entspricht einem Verfassungsauftrag, den das Volk mit sehr klarer Mehrheit bereits 2006 verabschiedet hat.
Stipendiendebatte: Die Initiative und die Motion des Nationalrates unterstützen
(vp) Wie zuvor der Nationalrat lehnt auch die Kommission des Ständerats die Stipendieninitiative ab. Diese will die Chancengleichheit in der Bildung fördern. Sie sieht dazu eine Harmonisierung der kantonalen Stipendiensysteme und mehr Mittel vor. Die Kommission schlägt als Gegenvorschlag eine Revision des Gesetzes über die Ausbildungsbeiträge vor. Leider hat jedoch nur eine Minderheit der Kommission diejenigen Verbesserungen unterstützt, die aus diesem Vorschlag eine echte Alternative zur Initiative machen würden. Dabei geht es um:
- die Möglichkeit, bei ausgeprägtem öffentlichen Interesse direkte Bundesbeiträge vorzusehen (z. B. bei Fachkräftemangel im Gesundheitswesen, Art. 1c und 7a)
- die Verteilung der Bundesbeiträge in Abhängigkeit der effektiven kantonalen Ausgaben und um deren Erhöhung, damit die Kantone finanziell ermutigt und entlastet werden (Art. 5 des Gegenvorschlags und Motion des Nationalrats „Stärkere Beteiligung des Bundes an den Ausbildungsbeiträgen“)
Der SGB empfiehlt dem Ständerat, die Initiative zu unterstützen. Bei den Beratungen über den Gegenvorschlag (Ausbildungsbeitragsgesetz) fordert er die Ständerät/innen auf, die Minderheitsanträge zu den Artikeln 1, 5 und 7a zu unterstützen und in Art. 4 dem Vorschlag des Nationalrates zu folgen. Der SGB empfiehlt ebenfalls die Annahme der oben erwähnten Motion des Nationalrats.