Noch steht in der Herbstsession die Beratung einiger aus gewerkschaftlicher Sicht wichtiger Geschäfte an. Nach zweieinhalb Wochen hier schon mal ein Kurzkommentar zu einigen Entscheiden.
Weitere Finanzhilfen des Bundes für familienergänzende Betreuung
Beide Kammern haben der Verlängerung der Anschubfinanzierung des Bundes für Kinderbetreuungseinrichtungen um weitere 4 Jahre mit komfortablen Mehrheiten zugestimmt. Das Parlament hat damit einen guten und richtigen Entscheid für die Förderung der Vereinbarkeit von Erwerbs- und Familienarbeit getroffen. Offenbar ist mittlerweile einer Mehrheit der Abgeordneten bewusst, dass eine gute Kinderbetreuung ein Schlüsselfaktor ist, um Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Und dass es dazu noch vieler Anstrengungen bedarf.
Schutz von Whistleblowern oder Schutz vor Whistleblowern?
Die kleine Kammer hat mit 22 gegen 13 Stimmen eine OR-Revision zum „Schutz bei Meldung von Unregelmässigkeiten am Arbeitsplatz“ verabschiedet. Dabei ging es um die Whistleblower-Problematik: also um die Angestellten, die einen Missstand in ihrem Unternehmen (öffentlich) denunzieren. Die Vorschläge schützen jedoch weniger die Whistleblower vor Sanktionen als vielmehr die Betriebe vor den Whistleblowern. SGB-Präsident Paul Rechsteiner beantragte denn auch Ruckweisung der Vorlage, weil diese viel zu bürokratisch sei und das Geheimhaltungsinteresse des Arbeitgebers ins Zentrum des Schutzes stelle. In der Tat: Gemäss Bundesrat ist eine Meldung (des Whistleblowers) „in der Regel nur dann zulässig, wenn sie zuerst an den Arbeitgeber, anschliessend an eine Behörde und erst als letztmöglicher Weg an die Öffentlichkeit erfolgt.“ Den Schutz vor einer Kündigung nach einer rechtmässigen Meldung will der Bundesrat aber, zumindest vorerst, nicht ausbauen. Diese windschiefe Logik setzte sich im Rat durch. Die hyperbürokratische Vorlage bringe den Betroffenen nichts, sie verschlechtere die Rechtslage, kritisierte Paul Rechsteiner. – Der Nationalrat wird korrigieren müssen.
Nationale Konferenz zum Thema der älteren Arbeitnehmer
Der Ständerat hat ein Postulat Rechsteiner überwiesen. Dieses verlangt vom Bundesrat, eine nationale Konferenz zum Thema der älteren Arbeitnehmer zu organisieren. Der Vorstoss des SGB-Präsidenten orientiert sich an den Lehrstellenkonferenzen. Diese haben dank starker Mobilisierung der Sozialpartner und der Kantone ermöglicht, die tiefe Krise der Lehre während der 90er Jahre und zu Jahrtausendbeginn in relativ kurzer Zeit zu überwinden. Der Bundesrat sprach sich zuerst gegen das Postulat aus, vor dem Plenum liess Bundesrat Schneider-Ammann jedoch erkennen, dass er den Widerstand aufgebe, weil sich die Sozialpartner zu einem solchen Vorgehen geeinigt hätten. – Affaire à suivre.
Angriff auf GAV zurückgewiesen
Einen dreisten Angriff auf die Gesamtarbeitsverträge hat der Nationalrat in der zweiten Sessionswoche zurückgewiesen. Der Zuger SVP-Vertreter Thomas Aeschi wollte das sogenannte zweite Quorum als Voraussetzung zur Allgemeinverbindlichkeitserklärung (AVE) von GAV von 50 auf 75 % erhöhen. Heute muss mehr als die Hälfte aller Arbeitnehmenden der Branche am GAV beteiligt sein, damit dieser allgemeinverbindlich (av) erklärt werden kann. Die Verschärfung hätte dazu geführt, dass die klare Mehrzahl der heute av erklärten (also für alle Betriebe einer Branche geltenden) GAV die Voraussetzungen dazu nicht mehr erfüllt hätten. Aeschi gab denn in der Begründung seiner Motion auch unumwunden zu, dass bereits heute rund jeder zweite Arbeitnehmer einem GAV unterstellt sei. Das sei zuviel für eine starke Wirtschaft und einen flexiblen Arbeitsmarkt, meinte der lic.oec.HSG überzeugt – aber nicht gerade erfolgreich: Ohne Diskussion beförderte die grosse Kammer den Vorschlag mit 135 gegen 46 Stimmen dahin, wo er gehört: in die Versenkung.
Stipendieninitiative: Gegenvorschlag gerät ausser Bahn
Der Ständerat ist hart geblieben. Er ist dem Nationalrat nicht gefolgt. Dieser will im neuen Stipendien-Gesetz Mindestansätze vorschreiben, wenn ein Kanton Bundeshilfe will. Das würde einige knausrige Kantone verpflichten, den Standard ein bisschen anzuheben. Aber das war den Ständeräten bereits zuviel Harmonisierung. Anita Fetz (SP BS) stellte zurecht fest, dass der Gegenvorschlag zur Stipendieninitiative in der Version des Ständerates nichts anderes als lauwarmes Wasser sei. – Nun kommt der Nationalrat an die Reihe.
Mankoteilung: ein kleiner Schritt vorwärts
Der Nationalrat hat eine Motion angenommen, die den Bundesrat beauftragt, eine verfassungsmässige Grundlage zur Einführung der sogenannten Mankoteilung vorzulegen. Quergelegt haben sich die Fraktionen der SVP und der FDP. Bei der Mankobeteiligung geht es darum, dass bei Finanzmangel nach einer Trennung oder Scheidung nicht mehr nur der unterhaltsberechtigte Elternteil (also zumeist die Frau) Sozialhilfe beantragen muss. Der Mangel soll auf beide Elternteile aufgeteilt werden.
In der gegenwärtigen Revision des Kindesunterhaltsrechtes ist die Mankoteilung nicht aufgenommen worden, vor allem mit der Begründung, es fehle die verfassungsrechtliche Grundlage. Nun muss der Bundesrat hier also für Klarheit sorgen.
Vergessliche und Taube
Und dann noch dies: In der Fragestunde wollte Nationalrätin Silva Semadeni (SP GR) wissen, was der Bundesrat zu tun gedenke, damit das Urteil des Bundesgerichtes (BG) in Sachen Outlet Landquart vollzogen werde. Zur Erinnerung: das Bundesgericht hat den Sonntagsverkauf in den betroffenen Geschäften als illegal befunden, der Kanton GR weigert sich jedoch, das Urteil umzusetzen. Der Bundesrat antwortete lapidar, dass die Umsetzung des BG-Urteils Aufgabe der kantonalen Behörden sei, das seco habe diese daran erinnert. – Die Vergesslichen in der Ferienecke (Hier herrscht Relax total, hier dürfen Sie alles vergessen) sind aber auch noch taub. Und mampfen weiter an den Früchten, die für ihre Republik typisch sind: Bananen.