Mehrere 10‘000 Menschen haben heute, am Tag der Arbeit, in weit über 50 Orten der Schweiz für „Faire Löhne, bessere Renten“ demonstriert. Der SGB hat den 1. Mai 2013 unter dieses Motto gestellt.
Attackiert wurde an allen Kundgebungen die zunehmende Einkommenskluft. SGB-Präsident Paul Rechsteiner in Basel dazu: „440‘000 Menschen in der reichen Schweiz verdienen zu wenig, um davon anständig leben zu können. 140‘000 davon haben einen Lehrabschluss. Wie weit sind wir gekommen, wenn eine Lehre keine Garantie mehr dafür ist, dass man genug für ein anständiges Leben verdient?“ Rechsteiner geisselte speziell einige grosse Schuh- und Kleiderketten, bei denen die "Besitzer-Milliardäre ihren Verkäuferinnen nur Schandlöhne zahlen.“
Verlangt ist deshalb eine Wende in der Lohn- und Einkommenspolitik, eine gerechte Verteilung der Löhne und Einkommen. „Dass die Lohnschere wegen der Globalisierung aufgegangen ist und dass man nichts dagegen tun kann, ist ein Märchen.“ So SGB-Chefökonom Daniel Lampart in Weinfelden. „Überall auf der Welt, wo es gute und aktive Gewerkschaften gibt und wo eine gerechte Wirtschafts- und Einkommenspolitik gemacht wurde, ist die Lohnschere geringer.“
Doch wie kommt man zu dieser Wende? Neben dem klassischen gewerkschaftlichen Weg via Abschluss von Gesamtarbeitsverträgen setzen die Gewerkschaften auch auf den direktdemokratischen Weg. SGB-Vize- und SEV-Präsident Giorgio Tuti dazu in Schaffhausen: „Dieser Entwicklung schieben wir einen Riegel, mit einem klaren und deutlichen JA zu zwei Volksinitiativen, zur 1:12-Initiative und zur Mindestlohninitiative. Die 1:12-Initiative regelt das Verhältnis zwischen höchstem und niedrigstem Lohn in einer Unternehmung. Das ist dringend nötig, denn seit 1997 hat sich die Zahl der „Lohnmillionäre“ vervierfacht.“ Von der Mindestlohninitiative würden 440‘000 Menschen auf einen Schlag profitieren, die heute keine 4000 Franken im Monat verdienen.
Eine Offensive haben die Gewerkschaften auch in der AHV gestartet. Die Lancierung der Volksinitiative AHVplus sei auch „ein Beitrag zur politischen Alphabetisierung in einem Umfeld, in dem das Soziale und die Sozialversicherungen systematisch schlecht gemacht werden“ (Paul Rechsteiner). Bessere Renten für die Älteren seien vor allem auch für die jungen Familien wichtig: „Dank der AHV müssen sie in den Jahren, in denen sie das Geld dringend brauchen, viel weniger sparen als wenn es die AHV nicht gäbe“ (P. Rechsteiner).
An den meisten Kundgebungen wurde auch der Kampf gegen den 24-Stundenarbeitstag thematisiert, wo bei den Tankstellen nunmehr ein Dammbruch angesagt ist. Die Abstimmung wird zu einem Test darüber, ob der Arbeitnehmerschutz immer mehr ausgehöhlt werden kann. Vania Alleva, Unia-Co- und SGB-Vizepräsidentin, dazu in Thun: „320‘000 Menschen arbeiten im Detailhandel. Wenn da der 24-Stunden-Arbeitstag eingeführt wird, sind auch die Beschäftigten in den Zulieferbetrieben, in der Sicherheitsbranche und in der Reinigung betroffen. In all diesen Branchen sind Arbeit auf Abruf und zerstückelte Arbeitszeiten heute schon gang und gäbe. Und nun bringt die Verlängerung der Öffnungszeiten nochmals mehr Stress, weniger Freizeit, weniger Zeit für die Familie. Und das alles zu sehr tiefen Löhnen.“
Dass es auch einen besseren Schutz von PersonalvertreterInnen braucht, zeigt der skandalöse, an vielen Kundgebungen thematisierte Fall des Spitals Providence in Neuenburg. Wider jegliches Recht sind da Streikende fristlos entlassen worden, obwohl sie sich bloss für den Erhalt ihres Gesamtarbeitsvertrags eingesetzt hatten. VPOD-Präsidentin Katarina Huber-Prelicz dazu in Dietikon: „Der Neuenburger Regierungsrat mag einfach zuschauen, wir aber lassen uns das nicht bieten! Wir haben gegen diesen verfassungswidrigen Abbau bei der Internationalen Arbeitsorganisation geklagt und am 1. Juni demonstrieren wir in Genf. Kommt alle an die Solidaritätsdemo gegen missbräuchliche Kündigungen!“
Ein weiteres dominantes Thema war die Forderung nach einem leistungsfähigen Service public. Syndicom Copräsident Alain Carrupt dazu in Delémont: „Privatisierung und Liberalisierung des Service public bedeuten mehr Kosten bei weniger Leistung und weniger Zugang zu dieser, bedeuten schlussendlich Zweiklassengesellschaft. Das ist nicht das Erbe, das wir unseren Kindern hinterlassen.“
Auskünfte
Ewald Ackermann, SGB-Information, 079 660 36 14 oder 031 377 01 09