Dossier 153: Vom Wert der Gewerkschaften

  • Gewerkschaftspolitik
Dossier

Eine Metastudie zum Einfluss von Gewerkschaften und Gesamtarbeits-verträgen auf Löhne, Arbeitsbedingungen und Produktivität

Seit über 100 Jahren schliessen sich Berufstätige in Gewerkschaften zusammen, um ihre Arbeitsbedingungen und ihre Rechte im Betrieb oder in den Branchen zu verbessern. In den letzten rund 20 Jahren haben Ökonominnen und Ökonomen die Gewerkschaften und ihren Einfluss auf Löhne und Beschäftigung besonders intensiv untersucht. Welchen Einfluss haben Gewerkschaften und Gesamtarbeitsverträge auf die Löhne? Was sind die Auswirkungen auf die Beschäftigung, die Produktivität und die Innovationstätigkeit der Firmen?

In den neuen Untersuchungen sind frühere ökonomische Vorurteile ins Wanken geraten. Die Studien zeigen: Gewerkschaften und Gesamtarbeitsverträge sind eine Art Gegenpol zum marktmächtigen Arbeitgeber. Sie können Missbräuchen entgegenhalten und verhindern, dass Arbeitgeber ihre Stellung auf Kosten der Berufstätigen ausnützen. Das lohnt sich, besonders für Beschäftigte mit tiefen und mittleren Einkommen. Ihre Löhne profitieren am meisten von einem GAV oder einer starken Gewerkschaft im Unternehmen. Das reduziert die Lohnungleichheit. Und im Gegensatz zu früheren Befürchtungen steigt die Arbeitslosigkeit nicht. Die Auswirkungen auf die Beschäftigung sind höchstens gering und sehr umstritten.

Dieses SGB-Dossier wertet über 100 Studien zu Gewerkschaften und GAV und ihrer Bedeutung für den Arbeitsmarkt aus. Insbesondere zu den Themen Lohn, Arbeitsbedingungen, Beschäftigung, Arbeitslosigkeit sowie zur Produktivität und Innovationstätigkeit von Firmen. Thesenartig zusammengefasst haben die ForscherInnen Folgendes herausgefunden:

Gewerkschaften und Gesamtarbeitsverträge können die Löhne erhöhen und Ungleichheiten reduzieren. Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass ein Anstieg des gewerkschaftlichen Organisationsgrads insgesamt zu höheren Löhnen führt. Die Auswirkung ist bei tiefen und mittleren Löhnen am grössten. Managerlöhne steigen dagegen in gewerkschaftlich gut organisierten Branchen und Betrieben weniger stark. Die Aktivitäten der Gewerkschaften verhindern wohl so, dass die obersten Einkommen davonziehen und die Ungleichheit steigt. Gesamtarbeitsverträge reduzieren die Ungleichheit ebenfalls und wirken Lohnungleichheiten zwischen den Geschlechtern entgegen.

Ein Teil der Lohnerhöhungen geht auf Kosten der Gewinne. Ein höherer gewerkschaftlicher Organisationsgrad erhöht den Anteil der Arbeitseinkommen am gemeinsam erarbeiteten Wohlstand, und senkt damit den Anteil des Kapitals.

Gesamtarbeitsverträge und Gewerkschaften beeinflussen die Beschäftigung und die Arbeitslosigkeit kaum. Die höheren Löhne führen gemäss neueren Studien nicht zu einer höheren Arbeitslosigkeit oder eine tieferen Beschäftigung. Wenn Studien überhaupt einen relevanten Einfluss von höheren Mindestlöhnen und Gewerkschaften auf die Beschäftigung finden, ist dieser oftmals klein.

Gewerkschaften können die Produktivität erhöhen. ForscherInnen finden immer wieder einen positiven Einfluss von Gewerkschaften auf die Produktivität, zumindest in bestimmten Branchen. Der Einfluss der Gewerkschaften auf die Investitionen und die Innovation ist umstrittener.

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