Foto: E-ID-Referendum

 

Der Bankschalter ist kein Passbüro!

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Verfasst durch Reto Wyss

Am 7. März Nein zur Privatisierung der E-ID

Es braucht unbedingt eine elektronische ID, doch die von Parlament und Bundesrat beschlossene Lösung ist grobfahrlässig. Die vorgesehene Privatisierung des elektronischen Passes ist demokratiepolitisch inakzeptabel und birgt grosse Datenrisiken. Daher braucht es am 7. März ein Nein zum E-ID-Gesetz.

Bedarf unbestritten

Im Internet werden heute nicht nur Einkäufe gemacht, Zahlungen abgewickelt oder Krankenkassen-Policen angepasst, auch der Austausch mit den Behörden findet mehr und mehr elektronisch statt. Dabei werden fortwährend sensible personenspezifische Daten verarbeitet und gespeichert. Wo immer das heute in der realen Welt geschieht, müssen wir uns ausweisen: am Postschalter, im Zug, am Zoll, in den Ämtern. Digital hat diese Ausweispflicht grosse Lücken, was dazu führt, dass viele Prozesse nicht sicher ausgestaltet sind und andere elektronisch gar nicht angeboten werden, obwohl dies technisch kein Problem wäre.

Der Bedarf nach einer nutzerfreundlichen und vertrauenswürdigen elektronischen Identifizierung (E-ID) ist also klar gegeben. Sie übernimmt online dieselbe Funktion wie ein amtlicher Ausweis, etwa beim Abholen von eingeschriebenen Briefen, beim Abschliessen eines Mobilfunkvertrags oder beim Beschaffen eines Betreibungsregisterauszugs. Die E-ID ist also das digitale Äquivalent zur Identitätskarte und trägt entsprechend dieselben sensiblen persönlichen Daten.

Umsetzung inakzeptabel

Doch leider wird die von Bundesrat und Parlament erarbeitete Form der E-ID ihrem Namen nicht gerecht: Sie ist zwar «E», aber leider nicht «ID». Zumindest nicht, was die hohen Vertrauensanforderungen betrifft, die gemeinhin – und zu Recht – an ein offizielles Ausweisdokument gestellt werden. Die Herausgabe eines Passes ist eine urhoheitliche Aufgabe, die vom Staat bzw. von demokratisch legitimierten Behörden wahrgenommen werden muss und keineswegs dem Markt überlassen werden darf.

Doch genau dies sieht das E-ID-Gesetz vor: Gemäss diesem wären private Firmen die Herausgeber der E-ID. Sie würden den «Pass» ausstellen, ihn vermarkten, die dafür notwendige Infrastruktur unterhalten und als direkte Ansprechpartner für Bürgerinnen und Bürger auftreten. Das Passbüro kann also etwa in einer Bankfiliale oder in einem Supermarkt eingerichtet werden.

Der Bund jedenfalls tritt zu keinem Zeitpunkt direkt in Erscheinung: Er darf gemäss Gesetz selbst auf dem Markt keine E-ID anbieten und sich noch nicht einmal an einer Firma beteiligen, die dies tut. Das ist demokratiepolitisch nicht hinnehmbar, und so sieht dies auch eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung: Gemäss einer repräsentativen Umfrage von Demoscope wollen nämlich 87 Prozent der EinwohnerInnen die E-ID vom Staat und nur gerade 2 Prozent von einer privaten Firma beziehen. Überraschend ist dies keineswegs: Wer möchte schon seinen Pass am UBS-Schalter, an der Migros-Kasse oder in der CSS-Niederlassung beziehen?

Gefährliche Monopolbildung zu erwarten

Beworben wird die E-ID von ihren BefürworterInnen nun einerseits mit der Wahlfreiheit: Jede Bürgerin und jeder Bürger könne künftig frei wählen, von welchem «Identity Provider» sie oder er die elektronische ID beziehen möchte. Das erscheint wenig verlockend: Ob die Identitätskarte bzw. elektronische Oberfläche nun Mobiliar-rot oder Vaudoise-grün ist – sie muss exakt dieselben, letztlich banalen Funktionen wahrnehmen können.

Doch nicht einmal zu dieser Wahlfreiheit würde es kommen, denn auf dem «Markt» für E-IDs wäre alles auf eine Monopolbildung, das heisst einen einzigen Anbieter ausgerichtet. Und dieser steht hinter den Kulissen mit der Swiss Sign Group auch längst bereit. Mit Annahme des E-ID-Gesetzes würde dieses Konsortium – getragen von einer breiten Unternehmensallianz mehrheitlich bestehend aus Banken, Versicherungen und Krankenkassen – schnell eine marktbeherrschende Stellung einnehmen und als einziger Anbieter der E-ID verbleiben. Falls es daneben doch auch Konkurrenten schaffen würden, dann wohl am ehesten finanzkräftige Techgiganten aus dem Ausland, also Apple, Amazon oder Google – allesamt nicht besonders vertrauenswürdige Namen im Umgang mit sensiblen Personendaten.

Wo Daten gespeichert werden, besteht Missbrauchspotenzial

Gerade was die Personendaten betrifft, ist das E-ID-Gesetz problematisch: Bei den privaten sogenannten Identity Providern fallen bei jedem Login NutzerInnendaten an, die gemäss Gesetz für bis zu sechs Monate gespeichert werden dürfen. Einmal angemeldet, kann jedeR E-ID-NutzerIn nachverfolgt werden.

Zwar dürfen diese Daten nicht kommerziell verwendet, also nicht verkauft werden, doch wird die Swiss Sign Group ihrerseits von so vielen Unternehmen getragen, dass dies auch gar nicht mehr nötig sein dürfte. Und ganz allgemein gilt: Je mehr Schnittstellen, desto höher das Potenzial zum Missbrauch von Personendaten – auch wenn die Gesetzesartikel und die Absichten gut sind.

Basispaket oder Premiumkarte

Mit einer privaten E-ID würden die BürgerInnen in Ausweisfragen zu KonsumentInnen gemacht und müssten ihren elektronischen Pass auf dem «Markt» erwerben. Im Gesetz sind nicht einmal die Preis begrenzt, und die Erfahrung zeigt leider, dass es bei einer Monopolbildung im Normalfall unnötig teuer wird. Spielraum hätten die «e-BürgerInnen» dann allenfalls noch beim E-ID-Typ, denn das Gesetz sieht drei verschiedene Varianten unterschiedlicher Sicherheitsstufen bzw. Einsatzmöglichkeiten vor. Wer nicht auf den Preis schauen muss, kann sich dann den «Premium-Pass» leisten, andere müssten sich mit dem «Basispaket» begnügen.

Unabhängig vom Preis ist aber zu erwarten, dass die E-ID-Anbieter alles dafür tun würden, möglichst viele Kunden zu akquirieren. Im Falle der E-ID würde dies bedeuten, dass die Bevölkerung nach und nach in die digitalen Kanäle gedrängt würde, etwa indem gewisse Prozesse – z. B. der Wechsel der Krankenkasse oder die Eröffnung eines Bankkontos –  nur noch online und nicht mehr auf dem Papierweg angeboten würden. Das könnte insbesondere für den älteren Teil der Bevölkerung zum Problem werden.

Fazit: E-ID ja, aber nicht so

Es ist klar: Es braucht unbedingt einen digitalen Pass, aber sicher nicht in Form einer E-ID à la Credit Suisse, AXA und SwissLife (alles Mitglieder der Swiss Sign Group). Ein elektronischer Ausweis muss staatlich zur Verfügung gestellt werden, nur darauf vertraut die Bevölkerung. Entwickelt werden muss die E-ID deshalb nicht zwingend komplett selbst durch den Bund (auch wenn etwa ETH und EPFL problemlos dazu in der Lage wären), dieser baut ja auch nicht die Nationalstrassen selbst.

Deshalb braucht es am 7. März ein Nein zu diesem E-ID-Gesetz, und danach muss schnell eine vertrauenswürdige, staatlich herausgegebene elektronische Identitätskarte eingeführt werden. Dass dies problemlos geht zeigt etwa Schaffhausen, wo schon seit Jahren eine durch den Kanton herausgegebene E-ID erfolgreich im Einsatz ist.

Zuständig beim SGB

Reto Wyss

Zentralsekretär

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Reto Wyss
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