Demokratiebewegungen brauchen unsere Solidarität

  • Gewerkschaftspolitik
Artikel
Verfasst durch Yvonne Zimmermann, Koordinatorin SOLIFONDS

«Arbeit ist ein Recht, kein Almosen!»; «Freiheit!»; «Innenministerium = Terroristenministerium»; «Brot und Wasser! Ben Ali hau ab!» Die Politstrategen in Europa und den USA haben nicht schlecht gestaunt, als mit solchen Slogans vorwiegend junge Demonstrierende die Diktaturen in Nordafrika ins Wanken gebracht haben – und nicht die von ihnen beschworenen Islamisten. Plötzlich war «Demokratie» in aller Munde.

In den von politischer Unterdrückung und Korruption geprägten Ländern gab und gibt es für die Bevölkerungsmehrheit kaum eine Perspektive. Die Machthaber haben sich zu alleinigen Nutzniessern der wirtschaftlichen Reichtümer der Länder gemacht, Armut, Arbeitslosigkeit und Wohnungsnot haben den Alltag der Menschen geprägt. Als die Grenzen zur EU und damit auch zur Schweiz immer dichter gemacht wurden, war auch die Möglichkeit weg, durch Migration dieser Perspektivenlosigkeit zu entkommen; die Explosion war eine Frage der Zeit. 

Im Dezember begann der Massenaufstand in Tunesien, der sich schnell auf zahlreiche arabische Länder ausgedehnt hat. Der langjährige Herrscher Ben Ali floh mit seiner Familie – und plötzlich war aus dem umworbenen Freund des Westens ein Diktator geworden, dessen Konten auf Schweizer und europäischen Banken blockiert werden mussten. 

Nachdem die Menschen in Ägypten Präsident Mubarak zum Rücktritt gezwungen haben, verhandelt die Militärregierung mit den Grossmächten hinter den Kulissen die Zukunft des Landes. Geostrategische Interessen – Suez-Kanal, Israel – stehen dabei im Vordergrund, nicht die Forderungen der Bevölkerung nach Brot, Arbeit oder existenzsichernden Löhnen. Fordern die Menschen dies mit Streiks ein, dann werden sie zur Gefahr für die Demokratie gestempelt.

Ob erfolgreich, wie in Tunesien oder Ägypten, oder offen, wie in Algerien und andern arabischen Ländern, überall in dieser Region hat die Bevölkerungsmehrheit einen Demokratisierungsprozess angestossen, in dessen Zentrum politische Freiheit, soziale Gerechtigkeit und Gleichstellung stehen. Um diesen Prozess zu stärken, ist unsere Solidarität gefordert.

Der SOLIFONDS steht mit mehreren Organisationen in Tunesien in Kontakt, die seit Jahren für Demokratie kämpfen. Dazu gehören die feministische Organisation ATFD (Association Tunisienne des Femmes Démocrates), die Organisation der Arbeitslosen UDC (Union des Diplomé-e-s Chômeurs/euses), die die Revolution in Tunesien angestossen haben, sowie engagierte Gewerkschaftskreise. Sie alle sind von den Ereignissen überrascht worden und sind jetzt daran, ihr weiteres Vorgehen und ihre Strategie zu definieren. Es wird für den Demokratisierungsprozess entscheidend sein, dass diese Kräfte Unterstützung erhalten. Der SOLIFONDS ist dran.

Die Ereignisse in Tunesien haben auch in Algerien zu einer breiten Mobilisierung in vielen Städten geführt, die gewaltsam unterdrückt worden sind. Die Machthaber – Militärführung und Regierung – versuchen, diese Situation mit Repression und kleinen Zugeständnissen unter Kontrolle zu halten. Die algerische Demokratiebewegung ihrerseits gibt nicht klein bei, dazu kämpft sie schon zu lange gegen das Regime. Auch sie ist aber auf eine starke internationale Solidarität angewiesen – auch durch den SOLIFONDS, der seit längerem mit den autonomen Gewerkschaften, einer der wichtigsten Exponentinnen der Demokratisierungsbewegung, in direktem Kontakt steht.

(SOLIFONDS = Stiftung Solidaritätsfonds für soziale Befreiungskämpfe in der Dritten Welt, getragen von SGB, SPS, Solidar/SAH und weiteren entwicklungspolitischen Trägerorganisationen. www.solifonds.ch, PC-Konto 80-7761-7)

Zuständig beim SGB

Daniel Lampart

Sekretariatsleiter und Chefökonom

031 377 01 16

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