Aschi wird uns sehr fehlen

  • Gewerkschaftspolitik
Artikel
Verfasst durch Rolf Zimmermann, SGB-Sekretariatsleiter

Ernst Leuenberger – von allen, die ihn näher kannten, einfach Aschi gerufen – gehört zu den wenigen politischen Persönlichkeiten, die nicht ersetzbar sind. Die schnörkellose geradlinige Volksverbundenheit, die träfe Sprache, welche bodenständig, ohne billig konservative Anbiederei, die soziale Verbundenheit und den sozialen Forschritt in einem Atemzug auf den Punkt bringen konnte, sein Schalk und die oft gezielt eingesetzte Theatralik, gibt es in ein und derselben Person kaum ein zweites Mal. Der frühere SP-Nationalrat, Spitzgewerkschafter und amtierende Solothurner Ständerat ist am 30. Juni 2009 gestorben. Die Lücke schmerzt sehr.

Aschi Leuenberger war volksnaher Gewerkschafter mit Leib und Seele. „I ha wölle Buur wärde“, sagte er einmal in einer Talkshow, doch Willi Ritschard hiess ihn dann in den siebziger Jahren bei den Solothurner Gewerkschaften „z’Acher fahre“. Aschi wäre wohl auch ohne den Fingerzeig des grossen SP-Magistraten Vollblut-Gewerkschafter geworden. Wer sah, wie er 20 Jahre im Solothurner Gewerkschaftsbund wirkte, ihn nach 1993 zuerst als Vizepräsident und dann von 1996 bis 2005 als Präsident des SEV sowie als stets auf allen Ebenen einsetzbarer SGB-Vizepräsident erlebt hat, weiss: Für Aschi Leuenberger waren die Gewerkschaften Beruf und Berufung zugleich. Der Arbeitersohn aus einfachen ländlichen Verhältnissen ist zwar nicht als Gewerkschafter geboren worden, er hat aber die soziale Lage seiner Kindheit als politischen Auftrag verstanden. Seinen unablässigen Kampf für soziale Gerechtigkeit begann er bereits als politisch militanter Student an der Uni und setzte ihn als Gewerkschafter und Sozialdemokrat ein Leben lang fort. Er wusste, wovon er sprach. Er beeindruckte, wo immer er auftrat, bereits als Jugendlicher. Aschi hörte sehr aufmerksam zu und wusste immer schnell fundierte politische Antworten zu geben. Er verstand es den Sorgen und Problemen der Bürgerinnen und Bürger einen politischen Namen zu geben. Er war den Kolleginnen und Kollegen in der Gewerkschaft, den Bähnlern oder den Verkäuferinnen, den Büetzern oder auch den einfachen Bauern und Gewerbetreibenden nahe. Zuverlässig, glaubwürdig, geradlinig, grundsatztreu und kompromissbereit zugleich: ein kämpferischer Realist. 

Ernst Leuenberger war der soziale Fortschritt lebenslange Aufgabe. Er verteidigte wo immer nötig die sozialdemokratisch gewerkschaftlichen Errungenschaften der Sozialversicherungen. Er konnte auch sehr zornig werden. Beispielsweise, wenn in jüngster Zeit die legitimen Ansprüche der Bedürftigen diskreditiert wurden, wenn mit dem Missbrauch-Vorwurf in den Medien zur Armenjagd geblasen wurde, während die grossen Hansen ihre Steuerhinterziehung als Tugend schönreden konnten. Er wehrte sich dagegen, wenn der Sozialstaat, die soziale Verantwortung, wenn die Ausgleichsaufgabe des Staates systematisch infrage gestellt wurden. Und er warnte als profunder Kenner der Schweizer Geschichte davor, dass gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Fortschritt nicht möglich ist, solange die Menschen ohne soziale Sicherheit um ihre materielle Existenz bangen müssen.

Mit all seiner Argumentationskraft ist er für den Service public, die Eisenbahn-, Post-, Fernmelde- oder Stromversorgung des Landes immer als unverzichtbaren Teil der sozialen Sicherheit und einer stabilen Wirtschaftsordnung eingestanden. Entsprechend vehement trat er der unsinnigen Liberalisiererei und den Privatisierungen bestens funktionierender Staatsbetriebe entgegen. Als SEV-Präsident und National- und Ständerat hat er massgeblichen Anteil daran, dass das Schweizer Bahnsystem zu den besten der Welt zählt und die Bahnangestellten, auch unter den schwierigen Bedingungen halb-liberalisierter Verhältnisse, zu den Bedingungen eines guten Gesamtarbeitsvertrags arbeiten können. Er hat die Verkehrs- und die Sozialpolitik der Schweiz geprägt, die entsprechenden Positionen der Gewerkschaften mit formuliert und wo immer möglich politisch durchgesetzt.

Aschi war gleichzeitig ein Volkredner ohne belehrendes Gehabe und ein hervorragender Botschafter politischer Zusammenhänge, ein Gewerkschafter und Politiker zum Anfassen. Die Gewerkschaften verdanken ihm sehr viel. Die Erinnerung an den Freund und Weggefährten, an sein Temperament und an seine Grundsätzlichkeit gibt uns Kraft, für unsere gemeinsamen Ziele weiter zu kämpfen. Auch deshalb bleibt er uns unvergessen.

Zuständig beim SGB

Daniel Lampart

Sekretariatsleiter und Chefökonom

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daniel.lampart(at)sgb.ch
Daniel Lampart
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