Jetzt müssen die Prämienverbilligungen rauf!

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Verfasst durch Reto Wyss

Bundesgericht zeigt Sozialabbauern in den Kantonen die rote Karte

Es ist eine schallende Ohrfeige für die Sozialabbauer in den Kantonen: Das Bundesgericht hat in einem wegweisenden Urteil befunden, dass der Spielraum für Kürzungen bei Prämienverbilligungen klar begrenzt ist. So muss die Prämienlast laut KVG nicht nur für Haushalte mit tiefen Einkommen, sondern auch für Familien des "unteren Mittelstandes" mit Prämienverbilligungen gemindert werden. Diesen Grundsatz hat nicht nur der Kanton Luzern – Ursprungskanton der Klage – jahrelang in krasser Art und Weise verletzt, sondern grundsätzlich alle Kantone, mit nur einer einzigen Ausnahme: Graubünden.

Während Jahren hat man sich in den meisten Kantonen nicht um die sozialen Folgen der unaufhaltsam steigenden Kopfprämien in der Grundversicherung geschert. Ganz im Gegenteil: Um die Ausfälle der aggressiven Steuersenkungen der vergangenen Jahre zu kompensieren, hat man vielerorts auch bei den Prämienverbilligungen das Messer angesetzt. Kurzerhand wurden Richtprämien, Eintrittsschwellen und Verbilligungsanteile gekürzt, mit jeweils nur einem Ziel: weniger Prämienverbilligungen für weniger Haushalte. So kam es dazu, dass der Kantonsanteil an den Prämienverbilligungen (neben jenem des Bundes) von 50% im Jahr 2010 auf noch 42% im Jahr 2017 sank. Oder anders ausgedrückt: 11 Kantone geben heute für Prämienverbilligungen weniger Mittel aus als noch vor 10 Jahren – trotz des starken Bevölkerungswachstums und trotz des noch stärkeren Prämienwachstums!

Kantone müssen sofort korrigieren

Der SGB hat diese Entwicklungen regelmässig stark kritisiert und in seinem Verteilungsbericht jeweils aufgezeigt, wie alarmierend die Lage bei der Prämienlast wirklich ist. Nun kommt mit dem Bundesgerichtsurteil endlich Bewegung in die Sache. Die Kantone können soziale Missstände nicht mehr einfach in den Hinterzimmern wegdefinieren und so mit ihrer Sparwut weiter verschärfen. Sie sind nun im Gegenteil gerichtlich dazu verpflichtet, eine Kehrtwende zu vollziehen und ihre Anspruchsbedingungen für Prämienverbilligungen schnellstmöglich gesetzeskonform auszugestalten.

Auch rückwirkend werden vorenthaltene Verbilligungen auszurichten sein, und das nicht nur im Kanton Luzern (dessen Regierung dies bereits angekündigt hat). Kommen die Kantone diesem Auftrag nicht nach, werden bald weitere erfolgreiche Klagen folgen.

Es braucht mehr

Unabhängig vom Korrekturbedarf in den Kantonen bleibt die vom Bundesgericht aufgezeigte grundsätzliche Problematik zumindest teilweise bestehen: Die Kantone werdenweiterhin einen zu grossen Definitionsspielraum für die Gewährung von Prämienverbilligungen haben – insbesondere bei den kinderlosen Haushalten mit tiefen und mittleren Einkommen. Abhilfe schaffen kann hier nur ein schweizweit einheitliches Sozialziel, das auf dem Papier auch der Bundesrat seit mehr als 25 Jahren befürwortet.

Einen neuen Anlauf in diese Richtung unternimmt die demnächst unterschriftsreife "Prämien-Entlastungs-Initiative", welche verlangt, dass kein Haushalt in der Schweiz mehr als 10 Prozent seines Budgets für Prämien ausgeben muss. Finanziert werden müsste dies mit mehr Prämienverbilligungen. Aber nicht nur durch die Kantone, sondern zu mindestens zwei Dritteln auch durch den Bund.

Diese schweizweit gültige Belastungsgrenze ist dringend nötig. Denn das heutige System der kantonalen Kopfprämien wirkt gleich doppelt bestrafend: Nicht nur bezahlt die Schuhverkäuferin genau die gleiche Prämie wie der Wirtschaftsanwalt, sie ist in der Regel auch viel weniger mobil, um sich einen Kanton mit tiefen Prämien und/oder hohen Prämienverbilligungen (bei gleichzeitig bezahlbarer Miete) auszusuchen.

Zuständig beim SGB

Reto Wyss

Zentralsekretär

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Reto Wyss
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