Verführerisches Vorhaben, aber in die Sackgasse leitend

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Verfasst durch Véronique Polito

Ständerätliche Kommission lehnt Motion zur „Titeläquivalenz für die höhere Berufsbildung“ ab

Der Nationalrat hat im Juni die Motion Aebischer angenommen. Diese verlangt die Einführung eines „professional bachelor“ in der höheren Berufsbildung. Sollte sich der Ständerat diesem Entscheid anpassen, werden heute gut integrierte Berufsleute statt einer Aufwertung eine Herabsetzung ihres Berufstitels zu gewärtigen haben.

Hauptsächlich der von Ruedi Strahm präsidierte Schweiz. Verband für Weiterbildung (SVEB) und die Konferenz der höheren Fachschulen wollen der Einführung eines „professional bachelor“ in der höheren Berufsbildung den Weg bahnen. Nicht ohne Erfolg – hauchdünn hat der Nationalrat im Juni eine entsprechende Motion von Matthias Aebischer angenommen.

Ein Projekt, das die Wirklichkeit verkennt

Entgegen der Überzeugung der Anhänger der Motion sind Berufsleute mit einem Abschluss der höheren Berufsbildung heute gut im Arbeitsmarkt integriert. Ihre Erwerbsquote übersteigt diejenige der Hochschulabsolvent/innen, dies markant bei den Frauen. Und die Beschäftigungsstatistik zeigt, dass der Fachkräftemangel bei Absolvent/innen der höheren Berufsbildung ausgeprägter ist als bei jenen mit Hochschulbildung. Das gilt für den sekundären wie für den tertiären Sektor. Hinsichtlich Stellung im Beruf zeitigen beide Ausbildungen viel Nähe: auch viele Absolvent/innen einer höheren Berufsbildung sind in der Unternehmensleitung tätig oder üben eine leitende Funktion aus.

Einzig die Lohnfrage lässt zu wünschen übrig. Die Löhne der Beschäftigten mit Berufsdiplom haben mit der allgemeinen Lohnentwicklung nicht Schritt gehalten. Die Umbenennung eines Titels wird hier jedoch keine Aufwertung bewirken. Die Gewerkschaften wissen das zur Genüge. Der Kampf der Zürcher Kindergärtnerinnen hat dies erst kürzlich gezeigt. Der Titel des bachelor genügt nicht, um den Beruf aufzuwerten. Sogar die Berufstätigen mit Hochschulabschluss müssen heute ihre Rechte via Mobilisierung und kollektives Handeln durchsetzen (siehe „87 % Lohn für 100 % Arbeit“ in Tages-Anzeiger online vom 22.10.2014).

Gegenteilige Auswirkungen programmiert

Obwohl auf den ersten Blick verführerisch: der „professional bachelor“ ist keine gute Lösung. Die hervorragende arbeitsmarktliche Position der Absolvent/innen einer höheren Berufsbildung ist nicht vom Titelglanz abhängig, sondern von einem beruflichen know how, das nicht nur durch ein Diplom, sondern auch durch erwiesene Erfahrung in der Branche belegt wird. Der „professional bachelor“ suggeriert jedoch eine theoretische Ausbildung auf akademischer Ebene. Das wird die Kompetenzen der Diplomierten nicht geeignet bezeichnen. Statt mehr Lesbarkeit wird mehr Verwirrung in der Titelfrage herrschen. Dies umso mehr als die Schweiz als einziger Staat in Europa einen bachelor auf nichtakademischer Ebene eingeführt haben würde. Es dürfte nicht lange gehen, und die neuen Titel würden auf dem Arbeitsmarkt in Verruf geraten – vor allem gegenüber den academic bachelors, welche die Hochschulen bald neu zu taufen hätten.

Falsche Antwort auf wahres Problem

Obwohl auf dem Arbeitsmarkt gut positioniert sind die Titel der höheren Berufsbildung heute dem grossen Publikum nur wenig bekannt. Das gilt insbesondere für Hochschulabsolvent/innen oder für jene, die aus einem Land ohne vergleichbare Ausbildung stammen. Das könnte zum langfristigen Handicap der höheren Berufsbildung werden, vor allem im Vergleich zu den akademischen Titeln, die dank „Bologna“ auf nationaler wie internationaler Ebene an Sichtbarkeit gewonnen haben.

Deshalb unterstützt der SGB den Antrag der vorberatenden ständerätlichen Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur. Dieser verlangt einerseits die Ablehnung der Motion Aebischer (also des „professional bachelor“), andererseits die Annahme eines Kommissionspostulates, das den Bundesrat auffordert, neue Vorschläge zur Klärung der Titelstruktur zu unterbreiten. Der SGB ist überzeugt, dass mit dem Postulat Wege gebahnt werden, die den spezifischen Bedürfnissen der Berufstätigen besser entsprechen.

Zuständig beim SGB

Nicole Cornu

Zentralsekretärin

031 377 01 23

nicole.cornu(at)sgb.ch
Nicole Cornu
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