Stipendieninitiative nötiger denn je

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Verfasst durch Véronique Polito

Ständerat muss korrigieren

Der Nationalrat hat eine Chance verpasst. Nach dem Ausschluss der Schweiz aus den EU-Forschungs- und Austauschprogrammen Horizon 2020 und Erasmus+ hätte sich mit der Stipendieninitiative eine Gelegenheit geboten, die höhere Bildung wieder zu stärken. Der Nationalrat jedoch bevorzugte einen indirekten Gegenvorschlag, der die Pflichten auf die Kantone abwälzt.

Der jüngste Bildungsbericht 2014 belegt es: Die universitäre Ausbildung bleibt das Vorrecht der Privilegierten. Das Kind eines Vaters mit Uniabschluss hat zweimal mehr Chancen auf akademische Studien. Das erstaunt niemanden, der weiss, wieviel der Staat in Stipendien investiert: In den letzten 20 Jahren hat die Schweiz die entsprechenden Mittel um mehr als 10 % gekürzt – anstatt sie der wachsenden Zahl der sich Ausbildenden anzupassen. Heute beziehen nur 8 % aller Jugendlichen in Ausbildung ein Stipendium – und meist nur ein geringes.

Nationalrat übergibt an Kantone

Die Stipendieninitiative will diese Ungerechtigkeit eliminieren. Dazu will sie die Kompetenz des Bundes stärken und die Mittel der Kantone erhöhen. Für diese Forderungen entwickelte der Nationalrat jedoch kein Gehör. Seine Mehrheit verweigerte der Initiative Gefolgschaft. Dagegen schlug sie vor, das bestehende Bundesgesetz durch ein neues zu ersetzen, das sich wesentlich am Interkantonalen Stipendienkonkordat orientierte. Die grosse Kammer hoffte so auf einen Gegenvorschlag, der das Anliegen der Initiative aufnehme. Denn dieses sei berechtigt. In Wirklichkeit entledigt sich der Nationalrat so der Pflichten und überbürdet diese sehr locker den Kantonen.

Das ist unverantwortlich, nach der isolationistischen Abstimmung vom 9. Februar umso mehr. Der schweizerische Arbeitsmarkt wächst, die Personenfreizügigkeit wird gefährlich in Frage gestellt – und die Schweiz versteift sich in ein Sparen bei der Bildung, als sei nix geschehen. Die neoliberale Steuerpolitik hat viele Kantone in eine so heikle Lage gebracht, dass diese zu breiten Sparprogrammen Zuflucht nehmen, die fast immer auf die Bildung zielen, vom Kindergarten bis zu den tertiären Institutionen. Und genau in diesem Moment will der Nationalrat die kantonale Kompetenz hinsichtlich Ausbildungsbeiträgen stärken.

Die Initiative unterstützen

Die Anhänger von weniger Staat haben sich also im Nationalrat durchgesetzt. Diese Mehrheit verweigert unseren Jugendlichen jene Unterstützung, die sie in ihrer Ausbildung bis zum eventuellen Abschluss auf tertiärer Ebene so nötig hätten. Für den SGB hingegen ist klar, dass die Volksinitiative den Zielen von Chancengleichheit und Bildungsförderung mehr entspricht als der Gegenvorschlag. Der SGB fordert deshalb den Ständerat zu mehr Weitsicht und damit zur Korrektur auf.

Zuständig beim SGB

Nicole Cornu

Zentralsekretärin

031 377 01 23

nicole.cornu(at)sgb.ch
Nicole Cornu
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