Am 14. Juni kommt die Stipendieninitiative zur Abstimmung. Sie wurde vom Verband der Schweizer Studierendenschaften (VSS) lanciert und wird von zahlreichen gewerkschaftlichen und akademischen Verbänden und Organisationen sowie Parteien, Jung- und Lokalparteien unterstützt. Dazu gehört auch der SGB, der dementsprechend die Ja-Parole zur Stipendieninitiative beschlossen hat. Nachfolgend die sieben wichtigsten Gründe für ein Ja aus gewerkschaftlicher Sicht.
Höhere Bildung auch für die Kinder der einfachen Leute und nicht nur die, deren Eltern bereits studiert haben.
Unser Bildungssystem ist noch lange nicht durchlässig. Obwohl Fortschritte zu verzeichnen sind: Kinder von Studierten studieren viel häufiger als Kinder von Nicht-Studierten. Das jeweilige Budget ist dafür zwar kein ausschliesslicher, aber doch ein wichtiger Grund. Das korrigiert die Stipendieninitiative, denn sie will für mehr Ausbildungswillige mehr Unterstützung. Das ist ein konkreter Schritt zu mehr gesellschaftlicher Chancengleichheit. Und ein Fortschritt für Kinder aus einfachen Verhältnissen. Denn vor allem sie profitieren von der Initiative.
Höhere Bildung heisst nicht nur Uni, ETH und Fachhochschule. Sie umfasst auch die höhere Berufsbildung. Auch wer eine solche absolviert, wird von der Stipendieninitiative profitieren.
Die Initiative fordert bessere Stipendien für die gesamte sogenannte "Tertiärstufe". Das umfasst die akademische Ausbildung, aber auch die höhere Berufsbildung (eidgenössische Fach- und höhere Berufsprüfungen, höhere Fachschulen). Die höhere Berufsbildung wird vorwiegend von Jungen absolviert, die aus nichtakademischem Milieu stammen. Die Initiative ermöglicht, dass auch die Absolventen/innen der höheren Berufsbildung vermehrt in den Genuss von Stipendien kommen sollen. Das ist ein konkreter Schritt zu mehr gesellschaftlicher Chancengleichheit. Und ein Fortschritt für Kinder aus einfachen Verhältnissen.
Das aktuelle Stipendiensystem benachteiligt die Absolventen/innen der höheren Berufsbildung. Die Initiative wird hier wenigstens teilweise korrigieren.
Heute gewähren die Kantone den Absolventen/innen der höheren Berufsbildung nur sehr selten ein Stipendium. Dabei sind die Gebühren für die höhere Berufsbildung oft bedeutend höher als die für die akademische Ausbildung.
Die Kantone rechtfertigen die Benachteiligung der Absolventen/innen der höheren Berufsbildung damit, es sei gerecht, dass sie denen, die bereits gearbeitet und vielleicht etwas auf die Seite gelegt hätten, kein Stipendium mehr gewährten. Dabei gehen die Kantone aber viel zu rigoros vor. Die allermeisten Väter oder Mütter, die sich beruflich weiterbilden wollen, können das nur tun, wenn sie jemand aus der Familie oder dem Freundeskreis finanziell unterstützt. Oder sie verschulden sich. Die Initiative schlägt ein Stipendiensystem vor, das der jeweiligen persönlichen Situation gerecht wird. Damit können auch die Absolventen/innen der höheren Berufsbildung besser zu Stipendien gelangen.
Chancengleichheit statt kantonale Lotterie
Im heutigen Stipendienwesen spielt der Bund nur eine Nebenrolle. Die Kantone schalten und walten, wie sie wollen. Bern zum Beispiel hat in den letzten 20 Jahren den Aufwand für Stipendien von 54 auf 27 Mio. Franken pro Jahr heruntergefahren. Die Waadt dagegen hat im gleichen Zeitraum ihr Engagement von 11 auf 51 Mio. Franken ausgebaut. Das zeigt: Je nachdem, wo man wohnt, wird man einigermassen grosszügig oder aber nur sehr mickrig gefördert. Das ist nicht gerecht. Die Stipendieninitiative stoppt eine solche ungleiche Behandlung. Sie will eine Harmonisierung des Stipendienwesens auf nationaler Ebene.
Alle reden vom Fachkräftemangel. Die Stipendieninitiative ist ein konkreter Schritt zu seiner Behebung.
Schlagwörter wie Fachkräftemangel und Qualifizierungsoffensive sind in aller Munde. Wie kommt man zu mehr Fachkräften? Vor allem dadurch, dass man Jungen, die Fachkräfte werden wollen, diesen Weg auch ermöglicht. Genau das will die Stipendieninitiative. Wer das Rüstzeug für eine höhere Qualifizierung hat, der soll sich qualifizieren. Tausende können das aus finanziellen Gründen nicht. Da helfen bessere Stipendien. Sie sind ein nachhaltig wirksamer Schritt gegen den Fachkräftemangel.
Stipendien, um Beruf, Familie - und Bildung zu vereinbaren
Bildungsstopp mit 25: diese Zeiten sind vorbei. Eine Spezialisierung oder eine Neuorientierung mindestens einmal während des Berufslebens drängen sich auf. Die beruflichen und familiären Pflichten sind jedoch so hart, dass beinahe niemand mehr beides korrekt zu vereinbaren mag. "Weiterbildung liegt in der individuellen Verantwortung", posaunen die Wirtschaftsbosse. Hören wir auf, von uns selbst das Unmögliche zu verlangen! Es braucht ein modernes Stipendiensystem, das Frauen wie Männern den Zugang während des ganzen Berufslebens ermöglicht.
Stipendien verkürzen die Ausbildungszeit, unterbinden den Praktika-Missbrauch und ermöglichen den Jungen einen früheren Erwerbseintritt.
Die Arbeitswelt wird immer anspruchsvoller. Qualifikationen, die in der Vergangenheit erlaubten, einige Berufe auszuüben, genügen heute nicht mehr. Deshalb der Run auf Diplome als ein unerlässliches Sesam-öffne-dich in die Arbeitswelt. Heute verfügen über 40% der Erwerbstätigen über 25 Jahre in der Schweiz über eine höhere Ausbildung (beruflich und/oder akademisch). Überall hat sich die Ausbildungsdauer verlängert. Um zu überleben, zwingt das immer mehr Jugendliche zu kleinen Jobs oder zu Praktika, die nichts anderes als eine prekäre Anstellung darstellen. Dies behindert eine gründliche Weiterbildung. Korrekte Stipendien ermöglichten eine bessere Konzentration auf die Prüfungen und eine schnellere Rückkehr in den Arbeitsmarkt. "Qualifiziertes Personal, schnellstmöglich!": So die lautstarke Forderung der Wirtschaft. Jetzt kann sie etwas dafür tun.
Wortlaut der Initiative
- I. Die Bundesverfassung wird wie folgt geändert:
- Art. 66 Ausbildungsbeiträge
- 1 Die Gesetzgebung über die Vergabe von Ausbildungsbeiträgen an Studierende von Hochschulen und anderen Institutionen des höheren Bildungswesens und über die Finanzierung dieser Beiträge ist Sache des Bundes. Der Bund berücksichtigt dabei die Anliegen der Kantone.
- 2 Die Ausbildungsbeiträge gewährleisten während einer anerkannten tertiären Erstausbildung einen minimalen Lebensstandard. Die anerkannte tertiäre Erstausbildung umfasst bei Studiengängen, die in Bachelor- und Masterstufe gegliedert sind, beide Stufen; diese können an unterschiedlichen Hochschultypen absolviert werden.
- 3 Der Bund kann den Kantonen Beiträge an ihre Aufwendungen für Ausbildungsbeiträge an Personen auf anderen Bildungsstufen ausrichten. Er kann ergänzend zu kantonalen Massnahmen die interkantonale Harmonisierung der Ausbildungsbeiträge fördern; dabei wahrt er die kantonale Schulhoheit.
- 4 Für den Vollzug des Ausbildungsbeitragswesens sind die Kantone zuständig, soweit das Gesetz ihn nicht dem Bund vorbehält. Die Kantone können Ausbildungsbeiträge ausrichten, die über die Beiträge des Bundes hinausgehen.
- II. Die Übergangsbestimmungen der Bundesverfassung werden wie folgt geändert:
- Art. 197 Ziff.8 (neu)
- 8. Übergangsbestimmung zu Art. 66 (Ausbildungsbeiträge)
- 1 Treten die Ausführungsgesetze zu Artikel 66 Absatz 1-4 nicht innerhalb von vier Jahren nach Annahme durch Volk und Stände in Kraft, so erlässt der Bundesrat die nötigen Ausführungsbestimmungen vorübergehend auf dem Verordnungsweg.
- 2 Im Falle einer vorübergehenden Verordnung wird der minimale Lebensstandard berechnet aufgrund:
- a.der materiellen Grundsicherung gemäss den Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe; und
- b.der Ausbildungskosten.
Mehr zu Thema
Alles zur Stipendieninitiative auf der Website des VSS
Drei Mal Ja für eine gerechtere und sozialere Schweiz