Der Bundesrat will einen indirekten Gegenvorschlag zur Stipendieninitiative, und zwar in Form einer Revision des Ausbildungsbeitragsgesetzes. Für den SGB ist der Gegenvorschlag bloss ein Köder, der die gebotenen Lösungen verhindert.
„Wettbewerb darf aber nicht dazu führen, dass nicht alle Jungen die gleichen Chancen auf Bildungszugang haben. Um diese Chancen zu verbessern, braucht es ein verbessertes Stipendienwesen“. Mit diesem Bekenntnis eröffnete Bundesrat Schneider-Ammann das politische Jahr 2013 anlässlich einer Tagung seines neu auf WBF (Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung) getauften Departementes. «Lasst uns ambitiös sein», rief er seinen MitarbeiterInnen am Schluss seiner Rede ganz feierlich zu.
Sand in die Augen
Es ist legitim, seine Ambitionen zu erklären. Sie dann aber auch zu realisieren, haben nicht alle das Format. Holen wir ein bisschen aus.
Mit Unterstützung der Gewerkschaften hat der VSS (Verband der Schweizer Studierendenschaften) vor einem Jahr die Stipendieninitiative eingereicht. Diese verlangt eine Harmonisierung der Ausbildungsbeiträge auf nationaler Ebene. Der Bund erhielte neu die Kompetenz, formale und materielle Minimalstandards festzulegen, um den Zugang zu einer tertiären Ausbildung (Hochschulen und höhere Berufsbildung) zu erleichtern. Er könnte auch, wenn als nötig erachtet, auf Ebene Sekundarstufe II legiferieren (berufliche Grundausbildung und gymnasiale Ausbildung).
Die Anliegen der Initiative in ihrer Fülle fanden beim Bundesrat keine Gnade. Die Regierung befürwortet zwar die Harmonisierung der Stipendien, wagt es aber nicht, die Initiative zu unterstützen. Sie beantragt einen indirekten Gegenvorschlag in Form einer Revision des Ausbildungsbeitragsgesetzes. Das ist eine schöne, symbolisch positive Geste, die aber bloss kosmetische Korrekturen bewirkt. Denn vorgesehen ist die legislative Übernahme von Bestimmungen des interkantonalen Stipendienkonkordates. Dieses jedoch, 2009 ratifiziert, hat trotz bescheidener Forderungen in den Kantonen nicht durchgeschlagen. Es tritt im Verlauf des Jahres 2013 nur gerade in zehn Kantonen in Kraft.
Fazit: ein wirklich knochenmagerer und nicht nur ein zu schlanker Gegenvorschlag. Man kann es auch anders sagen: Hier streut der Bundesrat Sand in die Augen des Volkes – und tut so, als ob er dessen Sorgen ernst nähme.
Materielle Harmonisierung drängt sich auf
Niemand zweifelt heute noch daran, dass das geltende Stipendiensystem den Jugendlichen gleiche Ausbildungsbedingungen verunmöglicht. Wer wie viel bekommt, hängt stark vom Wohnort ab. Für Jugendliche aus finanzschwachen Familien wird der Zugang zu einer Ausbildung heute zur Lotterie. Und das unabhängig davon, ob jemand eine berufliche oder eine allgemeine Ausbildung wählt.
Dieses Problem packt die Stipendieninitiative an. Denn sie fordert nicht nur eine formelle, sondern auch eine materielle Harmonisierung der Stipendien. Für den SGB ist deshalb sonnenklar: Nur die Volksinitiative erfüllt heute das Ziel einer echten Stipendienharmonisierung und der Chancengleichheit – und damit jener Werte, die der Bundesrat in seinen Sonntagspredigten auch will.