Berufsbildung für sans papiers: Es geht vorwärts, aber sehr, sehr zögerlich!

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Verfasst durch Véronique Polito, SGB-Zentralsekretärin

Geht es nach dem Bundesrat, sollen junge sans papiers demnächst auch eine Berufslehre antreten können. Das ist zu begrüssen. Der bundesrätliche Vorschlag ist jedoch zu hürdenreich. Und vom Parlament droht ein Rückenschuss.

Dass allen Jugendlichen unabhängig des Aufenthaltsstatus eine Grundausbildung zu ermöglichen ist, leuchtet überall ein. Der Zugang zu Bildung ist ein international abgesichertes Grundrecht. 1997 hat die Schweiz die Kinderrechtskonvention unterzeichnet. Artikel 28 dieser Konvention stipuliert das Recht jedes Kindes auf eine Grund- und eine nachobligatorische Ausbildung, sei sie nun generell oder beruflich ausgerichtet, und dies unabhängig des Aufenthaltsstatus.

Seither wurde jedoch keine gesetzliche Grundlage geschaffen, damit jugendliche sans papiers eine Berufslehre beginnen können. Das ist paradox: Junge sans papiers können bei guten Resultaten in der obligatorischen Schule anschliessend ein Gymnasium absolvieren, jedoch keine klassische Berufslehre. Warum? Weil sie keinen Arbeitsvertrag abschliessen können. Anders gesagt: eine ganze Reihe junger MigrantInnen findet sich nach Ende des Schulobligatoriums auf der Strasse, ohne dass sie dafür verantwortlich sind.

Aufenthaltsbedingung, aber an Bedingungen geknüpft

Im September 2010 stimmte das Parlament der Motion Barthassat zu und verlangte so, dass eine Lösung für diese Ungerechtigkeit erarbeitet werde. Am 2. März 2012 gab der Bundesrat dieser Motion Folge. Er gab eine Änderung der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE) in Vernehmlassung. Der Bundesrat schlägt vor, dass jugendliche sans papiers zu Ausbildungszwecken in den Genuss einer Aufenthaltsbewilligung kommen. Bedingung: Sie müssen während mindestens fünf Jahren die Schulen in der Schweiz besucht haben und sie müssen integriert sein. Der Antrag muss direkt nach Ende der obligatorischen Schule gestellt werden.

Der SGB begrüsst die Handlungsbereitschaft des Bundesrates. Er bedauert aber, dass sich der Vorschlag auf das Modell der Härtefalllösung beruft. Denn die Jugendlichen sind so weiterhin kantonaler Willkür ausgeliefert. Einige Kantone haben sich ja durch emsige Restriktion profiliert… Zudem sollte die Frist zum Stellen des Antrags verlängert werden. Denn oft können die Jugendlichen nicht unmittelbar nach Ende der Schulzeit eine Betriebslehre antreten, sondern müssen auf eine solche warten.

Schaltet Parlament wieder rückwärts?

Das Parlament seinerseits dürfte voraussichtlich noch in der Märzsession drei Standesinitiativen mit dem gleichen Anliegen behandeln. Erstaunlicherweise beantragt die vorberatende Kommission Ablehnung dieser Vorstösse und widerspricht damit dem Mandat, das sie selbst im September 2010 dem Bundesrat erteilt hat. Wo bleibt da die Kohärenz? Die Glaubwürdigkeit? – Wenn es etwas auf Treu und Glauben gibt, dann sollte das Parlament die Behandlung dieser Vorstösse zum mindesten verschieben, damit sich die soeben eröffnete Vernehmlassung geordnet abspielt.

Zuständig beim SGB

Nicole Cornu

Zentralsekretärin

031 377 01 23

nicole.cornu(at)sgb.ch
Nicole Cornu
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