Zur Geschichte des 1. Mai

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Verfasst durch Ewald Ackermann, SGB-Redaktor

Weihnachten feiert nur die christlich geprägte Welt, Karneval ebenfalls. Neujahr ist nicht überall am 1. Januar. Nationalfeiertage gelten nur Nationen. Der einzig wirkliche weltumspannende Feiertag ist der 1. Mai. Doch: wie kam es dazu?

Die gegen Ende des 19. Jahrhunderts erstarkende Arbeiterbewegung stellt vor allem den 8-Stunden-Tag in den Mittelpunkt ihrer Forderungen. Die US-amerikanischen Gewerk­schaften wollen diese Forderung am 1. Mai 1886 durchdrücken. Denn der 1. Mai ist in den USA der Tag, an dem die Arbeiter ihre neuen Arbeitsbedingungen aushandeln. In Chicago beginnt an diesem 1. Mai ein umfassender Streik , der am 4. Mai in einem Attentat auf die Polizei und einer offenen Strassenschlacht endet. In einem Farceprozess (Staatsanwalt Grimell: „Die Arbeiter sollen wie Ratten in ihre Höhlen zurück gejagt werden!“) werden anschliessend 7 Arbeiterführer zum Tod verurteilt, an vier wird die Strafe vollzogen, einer begeht in der Zelle Selbstmord, zwei werden zu „lebenslänglich“ begnadigt. 1893 werden die Verurteilten, die ersten Martyrer der Arbeiterbewegung, rehabilitiert.

Beschluss des Arbeiterkongresses

Auch in Europa und Australien erstarkt zu dieser Zeit die Arbeiterbewegung. Auch hier steht die Forderung nach dem 8-Stunden-Tag im Zentrum. Diese Forderung – so sehen die Arbeiterführer ein – muss aber international durchgesetzt und erkämpft werden. Deshalb erklärt der internationale Arbeiterkongress von Paris 1889 den 1. Mai zum Tag der Arbeit. In allen Ländern soll am 1. Mai 1890 für den 8-Stunden-Tag und besseren Arbeitsschutz demonstriert werden. Bei der Wahl des 1. Mai spielt der Streik von Chicago ebenso eine Rolle wie die Fruchtbarkeit als mythische Dimension des Monats Mai. 

Anfänge des 1. Mai in der Schweiz

In der Schweiz wird der 1. Mai 1890 bereits in 34 Orten gefeiert. Der SGB zählte damals knapp 5000 Mitglieder, die SPS war ganze 9 Monate alt. „Einige Tausend“ dürften an die­sem Tag auch der Arbeit fern geblieben sein, weitaus am meisten in Bern, wo am frühen Nachmittag bereits rund 2000 gezählt werden, die durch die Stadt marschieren, schön ge­ordnet nach den Gewerkschaften, denen sie angehören. Regeren Zulauf haben aber in den meisten Orten die Abendveranstaltungen. Die gute Quellenlage über die Teilnahme an den ersten 1. Mai-Feiern rührt daher, dass der Generalbundesanwalt die Manifestationen sy­stematisch bespitzeln liess... 

1919: 50'000 in Zürich

1910 werden in der Schweiz 96 Orte mit 1. Mai-Feiern gezählt. Die grösste Schweizer 1. Mai-Demo findet 1919 mit rund 50'000 Teilnehmenden in Zürich statt. Die weitere Geschichte des 1. Mai in der Schweiz – wie in der Welt – liest sich wie ein Abbild linker Geschichte. Innerlinke Richtungskämpfe prägen die 1. Mai-Feiern vor allem (aber nicht nur) in den Zwanziger, der Kampf gegen Faschismus in den Dreissiger und die allmähliche Integration in den bürgerlichen bzw. sozialdemokratisch-gewerkschaftlich mitgeprägten Staat ab den Dreissiger Jahren. Ab 68 bringen die zahllosen Fraktionen der Neuen Linken und der daraus entstehenden Bewegungen, deren Personal heute zu einem guten Teil als Gewerkschaftsprofis tätig ist, sowie ausländische Gemeinschaften neue Farbe in die Demonstrationen.

Zuständig beim SGB

Daniel Lampart

Sekretariatsleiter und Chefökonom

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Daniel Lampart
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