Leider schützt das Schweizer Recht Personen, die Missstände innerhalb eines Betriebs der Öffentlichkeit zugänglich machen, nur sehr schwach. Solche Whistleblower müssen, obwohl sie die Moral auf ihrer Seite haben, oft mit einer Entlassung rechnen. Der Arbeitgeber beruft sich dabei auf Verletzung der Treuepflicht. Deshalb ist ein besserer Schutz der Whistleblower nötig, insbesondere ein besserer Schutz vor Kündigung. Wie nötig dies ist, zeigt auch der kürzliche Skandal in einem zürcherischen Pflegeheim. Wäre die Denunziation von Missstand besser geschützt, hätte eine pflegende Person vielleicht rechtzeitig reagiert; die Erniedrigung der alten und kranken Menschen hätte frühzeitig gestoppt werden können. Leider ist es aber so, dass Pflegende, die sich in diesem Sinn einsetzen, oft ihren Job verlieren und manchmal sogar auf eine schwarze Liste gesetzt werden, die eine Neuanstellung verhindert oder zumindest wesentlich erschwert. Im VPOD Waadt sind solche Fälle zuhauf bekannt.
Bundesrat auf der Bremse
Mit der Annahme der Motion Gysin (SP/BL) wurde der Bundesrat beauftragt, Personen, welche strafbare Handlungen melden, wirksamer vor missbräuchlichen Entlassungen zu schützen. Das entspricht zudem internationalem Trend, von Obama verfolgt und mitgeprägt. Leider ist der Gesetzesentwurf der Schweizer Regierung zum Schutz von Whistleblowern sehr zahm. Der Bundesrat setzt auf „Vertragsfreiheit“. Whistleblower, denen gekündigt wird, sollen sich lediglich auf die gewöhnliche Prozedur im Falle von missbräuchlicher Kündigung berufen können (Art. 336ff OR). Diese Regelung – keine Annullierung der Kündigung, höchstens 6 Monatslöhne Entschädigung nach gewonnenem Prozess - hat keinerlei abschreckende Wirkung. In der Praxis bedeutet sie eine durchschnittliche Entschädigung von 2 bis 3 Monatslöhnen. Die Kündigung kann nicht rückgängig gemacht werden – obwohl die Wahrung eines öffentlichen Interesses sie verursacht hat. Kommt dazu, dass Whistleblower im Anschluss an die missbräuchliche Kündigung in besonders prekärer Situation sind. Neue Arbeit im angestammten Bereich ist schwierig, weil meist nur ein schlechtes Arbeitszeugnis verfasst wird. Die Internationale Arbeitsorganisation (IAO) hat ihrerseits in Folge einer Klage des Gewerkschaftsbundes gerügt, dass die Schweizer Bestimmungen gegen missbräuchliche Kündigung nur einen ungenügenden Schutz darstellten.
Dieser schwache Schutz ist abschreckend – und trägt damit dazu bei, dass viele Arbeitnehmende schweigen und wegsehen, wenn sie Misstand feststellen.
Kündigung rückgängig machen
Für den SGB ist klar: Arbeitnehmende, die Missstände denunzieren, müssen besser gegen missbräuchliche Kündigung geschützt werden. Man kann sich hierbei etwa auf Art. 10 des Gleichstellungsgesetzes stützen, das ermöglicht, missbräuchliche Kündigungen als nichtig zu erklären. Sogar der Bundesrat gesteht in den Erläuterungen der Vernehmlassung, dass ein solcher Schutz sehr wirksam wäre. Aber, dem Dogma der Vertragsfreiheit verfallen, vollzieht er den Schritt von der Erkenntnis zur Tat nicht. Dabei gilt für die Vertragsfreiheit ebenso wie für alle Freiheiten, dass sie durch öffentliches Interesse begrenzt sein kann und muss. Wenn es gilt, eine Person, die Steuerbetrug denunziert hat, gegen Kündigung zu schützen, dann ist dieses öffentliche Interesse sicherlich gegeben