Die Anhänger einer rastlosen Gesellschaft attackieren das grundsätzliche Verbot von Nacht- und Sonntagsarbeit ohne Unterlass. In diesen Tagen wird sich ihr Mut gezügelt haben. Denn nun hat gar die Zürcher Stimmbevölkerung den Deregulieren die rote Karte gezeigt. Und in welcher Deutlichkeit. Aber: haben auch die eidgenössischen Räte in Bern das Signal deutlich genug vernommen?
Zürich und liberalisierte Ladenöffnungszeiten: das schien sich in den letzten Jahren zu reimen. Da war zuerst das „Shopville“ im Hauptbahnhof – und der nachträgliche Legalisierungsvorstoss der Initiative Hegetschwiler. In jüngster Zeit hat das Bundesgericht einige Zürcher Tankstellenshops zurückgepfiffen und hat ihnen nächtliche Öffnung untersagt. Darauf reagierte Nationalrat Lüscher mit einer Parlamentarischen Initiative, die den gesetzlichen Weg für Arbeit rund um die Uhr in solchen Shops freimachen will. Schliesslich lancierte der Zürcher Nationalrat Hutter eine Motion. Diese will, dass die Kantone ihre Ladenöffnungszeiten selbst und ohne Berücksichtigung der Bundesgesetzgebung zum Arbeitnehmerschutz festlegen können. Und dann gab es den Vorschlag des Zürcher Kantonsrates, dass Läden bis zu einer Fläche von neu 200m2 jederzeit offen halten können. Immer wurde dabei der Eindruck vermittelt, die einzige „urban-visionäre Moderne“ müsse an einer veralteten konsumentenfeindlichen Gesetzgebung rütteln.
Am 17. Juni zeigten sich solche Zuordnungen als Cliché. Die Zürcher Stimmbevölkerung versenkte die FDP-Initiative „Der Kunde ist König“ gleich mit 70 %. Die Initiative wollte die Ladenöffnungszeit im Kanton vollständig liberalisieren. Die von den Gewerkschaften gesetzten Argumente überzeugten: Ein gemeinsamer Ruhetag für alle, keine Verminderung der Lebensqualität für Anstösser, mangelnde Arbeitsbedingungen.
Am gleichen Tag lehnten die Luzerner Stimmenden eine Vorlage mit einer um eine Stunde verlängerten Ladenöffnung am Samstag mit 55% ab. Das radikale Projekt wird auch hier noch kommen: diesen Herbst wird dem Luzerner Souverän eine Initiative der Jungfreisinnigen vorgelegt werden, die in etwa dem Zürcher Kundenkönig entspricht.
Lernen aus Abstimmungen?
Diese beiden Resultate zeigen: Falls die eidgenössischen Räte ihren harten Kurs für eine andauernde Aushöhlung des grundsätzlichen Arbeitsverbotes für die Nacht und den Sonntag fortsetzen wollen, dann können die Gewerkschaften entsprechenden Abstimmungskämpfen ruhig entgegen blicken.
Im Fall der Motion Hutter hat die WAK-Ständerat als vorberatende Kommission ihre Lektion gelernt. Sie hat am 26.6. diesen Vorstoss deutlich abgelehnt. Auch im Fall der Parlamentarischen Initiative Lüscher zeigt die Kommission eine gewisse Einsicht. Sie will diesen Vorstoss – und damit mehr Nacht- und Sonntagsarbeit im Verkauf – nur in abgeschwächter Form annehmen. Das ist ein Fortschritt gegenüber dem Nationalrat. Gegenüber der von der Grossen Kammer verabschiedeten Lösung würde der Vorschlag der ständerätlichen Kommission wohl zu mehr Nacht-, nicht jedoch zu mehr Sonntagsarbeit führen. Angesichts der klaren Stimmungslage in der Bevölkerung ist aber eine vollumfängliche Ablehnung verlangt.
Das Volk ist grösstmehrheitlich mit den heutigen Ladenöffnungszeiten zufrieden. Der SGB hofft deshalb, dass das Plenum der Kleinen Kammer den Vorstoss Lüscher zurückweist. Denn für den SGB ist klar: Nacht- und Sonntagsarbeit muss aus sozialen und gesundheitlichen Gründen die Ausnahme bleiben. Notfalls wird der SGB eine Banalisierung der Nacht- und Sonntagsarbeit auch mit dem Referendum bekämpfen.