So beschämend wie wahr: Fast 10 % aller Erwerbstätigen in der Schweiz sind so tief entlöhnt, dass sie kaum sich selbst, geschweige denn eine Familie durchbringen können. Rund 300'000 Frauen und 100'000 Männer verdienen, hochgerechnet auf ein volles Pensum, weniger als 4000 Franken im Monat resp. 22 Franken die Stunde. Es sind beileibe nicht nur Menschen, die wegen grossen Problemen den beruflichen Anschluss nur lückenhaft geschafft haben. Es sind auch Berufsleute mit Lehrabschluss und/oder Erfahrung betroffen.
Aber auch die Saläre von Erwerbstätigen, die mehr oder weniger korrekt entlöhnt sind, geraten unter Druck. Durch Auslagerung von Arbeit, die zuvor im Betrieb selbst angesiedelt war, wollen Unternehmen sparen. Genauso durch temporäre, statt feste Anstellungen. Und bei der Anstellung von Frauen rechtfertigt irgendein vorschnelles Argument wie „weniger Berufsjahre“ oder „zu wenig adaequate Erfahrung“ den tieferen Lohn.
Wegen diesen beiden Fakten hat der SGB am 25. Januar dieses Jahres die Mindestlohn-Initiative lanciert. Der SGB will die tiefsten Löhne auf ein einigermassen akzeptables Mass heben und er will die normalen Leute vor zunehmendem Lohndruck schützen. Deswegen sieht die Initiative zum einen vor, dass in allen Fällen ein Mindestlohn von 22 Franken die Stunde oder – hochgerechnet – 4000 pro Monat gelten muss. Zum zweiten soll der Bund den Abschluss von Gesamtarbeitsverträgen mit verbindlich einzuhaltenden Mindestlöhnen fördern. Denn heute sind nur etwa für 40 % aller Erwerbstätigen Mindestlöhne vorgeschrieben.
Mindestlöhne würgen die Beschäftigung derer ab, die davon profitieren sollen. So lassen sich die Gegner lautstark vernehmen. Nur soviel: Wenn das stimmen sollte, wieso haben dann die Gewerkschaften bei Coop und Migros innert den letzten 10 Jahren um fast 50% höhere Mindestlöhne erreichen können?
Mindestlöhne sind ein sehr taugliches Mittel des Lohnschutzes. So erstaunt denn auch nicht, dass die Initiative, obwohl im Winter gestartet, bereits gut 25‘000 Mal unterschrieben worden ist. Am Wochenende vom 1. und 2. April will der SGB eine erste koordinierte nationale Sammelaktion starten. An über 100 Standorten in der ganzen Schweiz sind bis heute Stände bekannt. Täglich werden es mehr.