Die SVP-"Selbstbestimmungsinitiative" ist ein frontaler Angriff auf unsere Grundrechte. Gerade Arbeitnehmende und Gewerkschaftsmitglieder profitieren von völkerrechtlich garantierten Menschenrechten. Deshalb müssen wir uns diesem erneuten Knebelungsversuch entgegensetzen.
Am 12.08.16 hat die SVP ihre Volksinitiative mit dem trügerischen Titel "Schweizer Recht statt fremde Richter (Selbstbestimmungsinitiative)" eingereicht. Mit diesem Begehren startet die SVP einen Generalangriff auf die Grundrechte der Menschen in unserem Land.
Angriff auf die Menschenrechtskonvention
Wunsch der SVP ist es, die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) über die Hintertür zu kündigen. Die Initianten geben vor, so die Souveränität der Schweiz zu stärken. De facto werden aber die Rechte von uns allen geschwächt. Die durch die EMRK garantierten Rechte sind als Grundrechte in unserer Verfassung verankert. Sie sind kein fremdes Recht, sondern Schweizer Recht. In der Schweiz gibt es kein Verfassungsgericht, das unsere Grundrechte verbindlich schützt. Diesen Schutz bietet uns seit bald 42 Jahren die EMRK, der wir wichtige Fortschritte in der Schweizer Rechtsentwicklung zu verdanken haben. Wer unsere Menschenrechte beschneidet, schwächt unsere Demokratie, unsere Sicherheit und unsere Freiheit.
Angriff auf die Gewerkschaftsrechte
Gerade gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmende sind in ihrem Alltag auf ein gut funktionierendes Menschenrechtssystem angewiesen. So stehen uns aus Verfassung, EMRK und ILO-Völkerrecht verschiedene Grundrechte zu: das Recht, sich im Betrieb zu organisieren und auszutauschen, Schutz vor antigewerkschaftlichen Kündigungen, Schutz von Whistleblowern und Zutritts- und Informationsrechte am Arbeitsplatz. Gerade auch solche Rechte will die SVP abschaffen. Mit der Änderung von Art. 190 der Bundesverfassung verlangt die Initiative, dass für das Bundesgericht (und alle anderen rechtsanwendenden Behörden) nur noch völkerrechtliche Verträge massgebend sind, welche dem Referendum unterstanden haben. Die Ratifizierung der EMRK 1974 unterstand nicht dem Referendum, weil die damalige Bundesverfassung dies noch nicht vorsah. Die EMRK wurde jedoch vom Parlament in einem demokratischen Prozess angenommen.
Angriff auf die Grund- und Menschenrechte
Da es in der Schweiz aber keine Verfassungsgerichtsbarkeit gibt, die uns davor schützt, dass Bundesgesetze unsere durch die Grundrechte geschützten Freiheiten verletzen, ist im bestehenden Art. 190 der Bundesverfassung eine Sicherheit eingebaut: Auch Völkerrecht wie EMRK- oder ILO-Recht ist massgebend: So füllt unser von der Schweiz ratifiziertes Völkerrecht diese Funktion aus. Denn das Völkerrecht via EMRK und ILO-Konventionen garantiert weitgehend die gleichen Grund- und Menschenrechte wie unsere Verfassung. Es geht aber häufig mehr in die Details und gibt präzisere Vorgaben, wie die Rechte auszugestalten sind. Gerade die ILO-Konventionen Nr. 89 und 98 zum Schutz der Gewerkschaftsfreiheit erweisen sich als sehr wertvoll. So konnte aufgrund von SGB-Klagen festgestellt werden, dass das wenig arbeitnehmerfreundliche Schweizer Kündigungsrecht im Obligationenrecht (OR) zu reformieren ist. Die SVP-Initiative würde diese wichtige "Rückversicherung" ausschalten. Sie würde unsere Gerichte daran hindern, die Grund- und Menschenrechte gegenüber Bundesgesetzen (z.B. dem Kündigungsrecht im OR) richterlich zu schützen.