Stillen am Arbeitsplatz: Arbeitszeit muss vergütet werden – auch während dem Stillen.

  • Arbeitsrechte
  • Gleichstellung von Mann und Frau
Artikel
Verfasst durch Jean Christophe Schwaab

Der Nationalrat wird in der am Montag beginnenden Session über die Ratifizierung des Übereinkommens 183 der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) zum Mutterschaftsschutz beraten. Dies aufgrund einer Parlamentarischen Initiative von Liliane Maury-Pasquier (SP, GE).

Der Nationalrat wird ebenfalls über eine kleine Änderung in Art. 35a des Arbeitsgesetzes (ArG) beraten, welche die Ratifizierung nötig macht. So klein diese Änderung auch ist, so bedeutend ist sie doch für die öffentliche Gesundheit und die Gleichstellung von Mann und Frau: Sie betrifft die Lohnauszahlung während dem Stillen am Arbeitsplatz. Die Mehrheit der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK) beantragt dem Rat, das IAO-Übereinkommen 183 zu ratifizieren und die Änderung von Art. 35a ArG zu akzeptieren. Der SGB freut sich über diesen Antrag und unterstützt ihn.

Stillen am Arbeitsplatz wird heute als Arbeitszeit angesehen (Art. 35a Abs. 2 ArG und Art. 60 ArGV 1). Das Gesetz äussert sich jedoch nicht explizit dazu, ob für diese Zeit ein Lohn geschuldet ist. Eine neue Rechtsprechung hat gezeigt, dass dies ein reales Problem darstellt. So hat ein Genfer Gericht erst kürzlich die Klage einer Angestellten abgewiesen, welche die Auszahlung der fürs Stillen aufgewendeten Arbeitszeit verlangte. Die SGK schlägt deshalb im Sinne der Rechtssicherheit vor, Art. 35a ArG zu ändern. Die Verordnung hätte anschliessend die Dauer der entlöhnten Stillzeit festzulegen.

Dieser Vorschlag ist auch aus Gleichstellungssicht zu begrüssen. Er unterstützt erwerbstätige Mütter und beseitigt eine Lohndiskriminierung. Die Auswirkungen auf die Lohnkosten wären wegen der begrenzten Dauer des Stillens marginal. Ebenso die Beträge, um die es geht: Bei der Genfer Lohnstreitigkeit ging es lediglich um einige Dutzend Franken. Zudem zahlen viele Arbeitgeber die Stillzeit bereits heute freiwillig.

Sehr zu begrüssen wäre auch die Ratifikation des IAO-Abkommens zum Mutterschaftsschutz. Das Abkommen ist Grundlage des Schutzes von arbeitenden Schwangeren und Müttern (Mutterschaftsversicherung, Kündigungsschutz während der Schwangerschaft, Diskriminierungsverbot, Gesundheitsschutz und Massnahmen für das Stillen). Die Schweiz will in Zukunft bei der IAO eine wichtige Rolle spielen. Deshalb muss sie deren Normen unterstützen, deren Abkommen ratifizieren, auch wenn dazu die eigene Gesetzgebung anzupassen ist. Im vorliegenden Fall ist die Anpassung überdies nur geringfügig, weil unsere Gesetzgebung schon so gut wie alle Bedingungen des Übereinkommens erfüllt. Eine Weigerung der Schweiz, den Mutterschaftsschutz international zu fördern, würde schlussendlich nicht nur ihrer Strategie zur Verteidigung der Menschenrechte zuwiderlaufen sondern stiesse auch bei den internationalen Partnern auf wenig Verständnis.

Der Bundesrat unterstützt Pausen zum Stillen

Der Bundesrat unterstützt die Ratifizierung des IAO-Übereinkommen 183 und die Tatsache, dass Pausen zum Stillen während der Arbeitszeit ebenfalls vergütet werden sollen. In seiner Stellungnahme vom 22. Februar 2012 bestätigt er, dass die Auswirkungen auf die Wirtschaft nur marginal sind. Er erwartet jedoch, dass die Anpassung des ArG nicht vonnöten ist und eine Adaption auf dem Verordnungsweg ausreichend Rechtssicherheit verschafft. Er plant dazu in nächster Zeit ein Konsultationsverfahren

Zuständig beim SGB

Luca Cirigliano

Zentralsekretär

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Luca Cirigliano
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