Mehrere 10‘000 Menschen haben gestern und heute anlässlich des 1. Mai, des einzigen weltumspannenden Feiertags, der in allen Kulturen am gleichen Tag gefeiert wird, in weit über 50 Orten der Schweiz für Mindestlöhne, mehr Verteilgerechtigkeit, starke Sozialversicherungen, Gleichstellung und eine solidarischere Welt demonstriert. Der SGB hat den 1. Mai 2011 unter das Motto „Lohndruck stoppen – Mindestlöhne jetzt!“ gestellt. An vielen Orten wurden denn auch für die Mindestlohn-Initiative des SGB Unterschriften gesammelt. Nach drei Monaten Sammelzeit sind bereits über 66‘000 Unterschriften zusammen. Gegeisselt wurde an fast allen Veranstaltungen, dass einerseits die Elite sich so schamlos wie noch nie Einkommen und Vermögen zuschanzt, während andererseits die Löhne der Normalverdienenden immer mehr unter Druck geraten.
Dieser zunehmenden sozialen Kluft wurde überall der Kampf angesagt. SGB-Präsident Paul Rechsteiner nannte in St. Gallen ein Korrekturmittel: „Wir fordern generelle reale Lohnrunden und so unspektakuläre, aber für die Leute wichtige Errungenschaften wie den automatischen Teuerungsausgleich für alle. Statt Boni, Prämien und den Exzessen weniger. Und wir brauchen endlich Mindestlöhne, gute Gesamtarbeitsverträge und ein gesetzliches Minimum für die Branchen, die keine Gesamtarbeitsverträge kennen. 22 Franken pro Stunde oder 4‘000 Franken pro Monat sind das Minimum.“
Angeprangert wurde überall die falsche, unsoziale die Einkommensspreizung verstärkende Steuerpolitik. SGB-Chefökonom Daniel Lampart dazu in Thalwil: „Die zahlreichen Steuergeschenke von Bund und Kantonen an die Grossverdiener und die Reichen kosten Milliarden. Doch wer zahlt das? Zahlen müssen die Normalverdienenden und die tiefen Einkommen. Es kommen die Familien an die Kasse, die jeden Franken zweimal umdrehen müssen. Sie zahlen höhere Gebühren, indirekte Steuern und Krankenkassenprämien. Eine vierköpfige Familie aus der Mittelschicht hat darum heute weniger Geld zum Leben als noch vor knapp zehn Jahren, obwohl die Wirtschaft im gleichen Zeitraum um rund 15 Prozent gewachsen ist.“
Neben starken Sozialversicherungen, vor allem einer auszubauenden AHV, wurde auch die Ausblutung des Staates kritisiert. Alain Carrupt, Co-Präsident von Syndicom und SGB-Präsidialausschussmitglied, in Zürich: „Liberalisierungen und Privatisierungen sind Öl für den Motor einer ungleichen Verteilung. Deshalb werden wir auch die nächsten Privatisierungen und Liberalisierungen erfolgreich bekämpfen!“
Einen besonderen Stellenwert nahm die Forderung nach mehr Gleichstellung ein. Kritisiert wurde an fast allen Veranstaltungen, dass sich die Löhne zwischen den Geschlechtern in jüngster Vergangenheit wieder auseinander entwickeln. Diesen Skandal wollen die Gewerkschaften zusammen mit zahlreichen weiteren Organisationen in einer Kampagne thematisieren. Sie führen am 14. Juni in der ganzen Schweiz Aktionen durch. Auch Streikpausen sind vorgesehen. SGB-Vize-Präsidentin Vania Alleva dazu in Uster: „Unsere Forderungen sind klar: Höhere Frauenlöhne, endlich gleicher Lohn für gleiche Arbeit und familienverträgliche Arbeitsbedingungen. Der 14. Juni ist aber nicht nur ein Frauentag. Es braucht alle – Frauen und Männer- damit wir mit der Gleichstellung vorwärts kommen.“
Der SGB verurteilt den – zum Glück erfolglosen – Versuch des Schwarzen Blocks, Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey in Zürich am Sprechen zu hindern. Der 1. Mai gehört vorwärts weisenden Argumenten und nicht der Unterbindung der Debatte.