Der Ständerat hat am zweitletzten Sessionstag die Motion Niederberger zu detaillierter Prüfung an die Kommission zurück gewiesen. Damit ist die Brechstangenmethode, Arbeitszeiterfassung in einigen Branchen auszuhebeln, gescheitert. Die Gefahr unkontrollierter Arbeitszeit und damit letztlich von Gratisarbeit bleibt aber im Raum.
Ständerat Niederberger wollte mit einer Motion in gewissen Branchen die Arbeitszeiterfassung aufheben. Konkret – und schon fast masochistisch - hätten die Arbeitnehmenden dazu ein Opting-out-Recht in Anspruch nehmen können. Sie hätten also erklären können, „freiwillig“ auf die Arbeitszeiterfassung zu verzichten.
Dieser Vorstoss ist aus drei Gründen komplett inakzeptabel:
1. Der Verzicht auf Arbeitszeiterfassung bedeutet in seiner Konsequenz nichts anderes als Gratisarbeit. Überstunden werden nicht mehr dokumentiert und dann auch nicht mehr bezahlt. Das widerspricht dem Prinzip „Für jegliche Arbeit einen Lohn“.
2. Wachsender psychischer Druck: das sogenannte Recht, verzichten zu können, ist angesichts der Wirklichkeit wie Schnee in Juni. Es hält nicht lange. Wer wagt denn noch, „dieses Recht nicht wahrzunehmen“, wenn das seine KollegInnen tun?
3. Grenzenlose Arbeit: der Verzicht auf Arbeitszeiterfassung führt zu einer Entgrenzung von Arbeits- und Freizeit. Erstere ist dauernd präsent. Folge ist Stress – bis zum Burning out.
Nun: all das hat der Ständerat mal auf Eis gelegt und nicht definitiv verabschiedet. Dieser „Angriff auf fundamentale Schutzbestimmungen des Arbeitsrechtes“, wie ihn Paul Rechsteiner in der Debatte nannte, wird also wieder kommen. Bundesrat Schneider Ammann orakelte denn auch, er könne sich durchaus eine parlamentarische Behandlung vorstellen, wenn auf Ebene der Sozialpartner keine Einigung erzielt werde.
Fazit: die Gewerkschaften haben auf der Hut zu sein. Die Anhänger der modernen Gratisarbeit haben nur einen Rückzug auf Zeit angetreten.