Das SECO will offenbar den generalisierten Sonntagsverkauf über den Verordnungsweg, und somit an Volk und Kantonen vorbei, einführen. Es entspricht damit dem Druck einer starken Lobby um den Betreiber des Shopping-Centers „Foxtown“ in Mendrisio. Die Gewerkschaften bekämpfen diese Absicht, auch juristisch. Ein Gutachten der Universität Neuenburg gibt ihnen Recht.
Die überwiesene Motion Abate will neu den Sonntagsverkauf von Luxusgütern in Grenz- und Tourismusgebieten zulassen. Das ist ein weiterer grosser Schritt hin zum allgemeinen Sonntagsverkauf. Der Bundesrat resp. das Seco will die Änderungen nun bloss in einer Verordnung und nicht im Gesetz festlegen. So soll jegliche direktdemokratische Kontrolle und die Opposition der Kantone als der eigentlich Zuständigen verunmöglicht werden.
Rechtsstaatlichkeit wäre geritzt
Bereits 2012 hat der SGB kritisiert, dass eine solch massive Reform nicht auf dem Verordnungsweg zu machen sei, sondern vielmehr eine Änderung des Arbeitsgesetzes erfordere. Diese Position wird nun vollumfänglich vom Gutachten der Universität Neuenburg bestätigt (vgl. Pascal Mahon/Jean-Philippe Dunand, Avis de droit, Projet de Modification de l’Art. 24 OLT 2, Neuenburg 23.12.2013).
Die im Gutachten durch zwei der bekanntesten Arbeitsrechtsjuristen der Schweiz geäusserte Kritik am SECO-Vorgehen, insbesondere die fehlende vorgängige Anpassung des Arbeitsgesetzes in Bezug auf den Begriff des Fremdenverkehrs, darf nicht ungehört bleiben! Das SECO ist hier also am Zug, mit den Sozialpartnern, insbesondere den Gewerkschaften, den Kontakt zu suchen.
Sonntagsarbeit macht krank
Denn die vorgeschlagenen Deregulierungen zur Sonntagsarbeit hätten gravierende Folgen auf die Gesundheit und das Sozialleben der Angestellten: Der Sonntag als allgemeiner Ruhetag ermöglicht erst ein gemeinsames Familien- und Privatleben und wirkliche Erholung. Umso gravierende ist die Tatsache, dass die Reformvorschläge des SECO keinerlei entsprechende kompensatorische Massnahmen vorsehen. Dies ist inakzeptabel für eine bereits prekarisierte Branche wie den Detailhandel, in der sich viele Arbeitgeber bis heute GAV-Lösungen verweigern.
Was ist Luxus?
Die Vorschläge des SECO zeichnen sich im Weiteren durch eine grosse Anzahl an Unklarheiten aus. Die Anwendung der vorliegenden Verordnung würde zur Lotterie.
So wird verlangt, dass in den Shoppingcentern nur „Luxusgüter“ verkauft werden dürften. Was aber ist denn ein Luxusgut? Eine Swatch oder doch erst eine Rolex? Schokolade oder doch nur die von Sprüngli? Ein Sennenhemd „made in Switzerland“ oder doch nur das teure Marken-T-Shirt „made in China“? Oder Parfum – aber welches?
Weiter würde die revidierte Verordnung verlangen, dass die Einkaufszentren den Umsatz mit „überwiegend internationaler“, also nicht-schweizerischer Kundschaft tätigen müssen. Aber wie soll man das kontrollieren? Müsste man für die Kunden solcher Einkaufszentren eine „Ausweispflicht“ einführen, damit man weiss, wer jetzt ein „internationaler“ Kunde ist? Müsste man ein Register für Kunden führen? Müsste Ende Jahr jeweils geprüft werden, ob die Vorgaben erfüllt wurden? Was würde passieren, wenn Verstösse festgestellt werden usw. ?
Je mehr man sich mit der vom SECO vorgeschlagenen Umsetzung der Motion Abate auseinandersetzt, desto mehr erscheint die überhastet präsentierte Lösung materiell und formell unausgegoren. Sie offenbart sich als eigentliche „Lex Foxtown“ – und damit nur im Interesse des gleichnamigen Shoppincenters in Mendrisio. Man kann aber nicht mit einer Express-Verordnungsreform das in der Illegalität mit einer „Sonderbewilligung“ auf Zusehen hin am Sonntag geöffnete Shopping-Center „Foxtown“ aus der Bredouille retten – und dabei die Interessen der Angestellten, der Kantone und der Konsument/innen so missachten.