Die Kommission für Rechtsfragen des Ständerates beantragt ihrem Plenum eine absolute Verjährungsfrist von 30 Jahren für sämtliche künftigen Personenschäden. Das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Es braucht aber ganzheitliche und rechtsgleiche Lösungen für alle Asbest-Opfer, unabhängig davon, ob diese unter das Unfallversicherungsgesetz (UVG) fallen oder nicht. Nun erhöht auch das Bundesgericht den Druck mit einem wegweisenden Urteil.
Die ständerätliche Kommission (RK-S) ist mit ihrem Vorschlag für eine Verjährungsfrist von 30 Jahren dem Bundesrat gefolgt. Dies im Gegensatz zum Nationalrat, welcher die Frist auf 20 Jahre festgesetzt hatte. Diese Lösung ist aber für Asbest-Opfer immer noch nicht genügend - denn Mesotheliome (Tumore aufgrund von Asbestkontakt) kommen erst 40 und mehr Jahre nach Exposition auf. Deshalb will die Kommission ihren Vorschlag für Asbestopfer mit einer übergangsrechtlichen Sonderregelung ergänzen. Diese funktioniert aber nur, wenn für Asbest-Opfer, seien sie nun UVG-versichert oder nicht, ein grosszügig dotierter Entschädigungsfonds eingerichtet wird.
Die vorgeschlagene Übergangsregelung im OR soll in Fällen von bereits verjährten asbestbedingten Personenschäden eine besondere Nachfrist von einem Jahr ab Inkrafttreten der OR-Reform erlauben. Die neue Klagemöglichkeit würde gegenüber den Leistungen eines Asbest-Entschädigungsfonds subsidiär zur Anwendung kommen.
Damit trägt der Vorschlag der RK-S dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) in Strassburg immer noch nicht Rechnung. Dieses Urteil verlangt eine subjektive Verjährungsfrist mit Beginn des Krankheitsausbruchs (nicht ab Exposition). Die Übergangsregelung für bereits verjährte Fälle in Kombination mit der ständerätlichen Erwartung, dass ein grosszügig dotierter Entschädigungsfonds geschaffen wird, ist jedoch ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Der Ständerat ist aufgerufen, diesen Vorschlag in der kommenden Session aufzunehmen und auszubauen.
Zumal inzwischen auch das Bundesgericht den Druck erhöht hat: in einem wegweisenden, ja geradezu historischen Urteil hat es im November entschieden, dass das heute gültige Verjährungsrecht gegen die Grundrechte der Opfer verstösst. Damit macht das höchste Schweizer Gericht vorwärts bei der Umsetzung des oben erwähnten EGMR-Urteils – und wartet zurecht nicht auf die Politik: Mesotheliom-Kranken gegenüber funktioniert ab jetzt die Einrede der Verjährung nicht mehr.
Für den SGB als Initianten des Runden Tisches zu Asbest, welcher inzwischen unter der Leitung von Alt-Bundesrat Moritz Leuenberger tagt, ist klar: Will die Wirtschaft eine Prozessflut nach dem EGMR-Urteil verhindern und will das Parlament die Schweizer OR-Verjährungs-Regelung bei Asbesterkrankungen menschenrechtskonform gestalten, dann braucht es nicht nur eine entsprechende OR-Revision, sondern auch einen grosszügig dotierten Asbest-Fonds. Dieser soll Schadenersatz sowie eine einmalige Pauschalzahlung für erlittene Unbill gewähren. Dadurch schafft ein solcher Fonds Gerechtigkeit auch für bereits verjährte Fälle und verhindert kostspielige, langjährige Gerichtsfälle. Weiter muss auch ein spezifischer Care-Service für Asbest-Opfer und ihre Angehörige eingerichtet werden. Diese fühlen sich heute viel zu häufig trotz oft tödlichem Ausgang der Asbest-Erkrankungen im Stich gelassen.
Damit kämen auch asbestbedingte Erkrankte zu ihrem Recht, die nicht unter das UVG fallen. Finanziert werden sollte ein solcher Fonds vor allem durch jene Unternehmen, die Asbestprodukte hergestellt und verkauft haben.